Das Jenseits – der große Schritt ins Unbekannte
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Das Jahr ist noch jung, doch auch in der frohen Zeit, die dem Frühling entgegeneilt, werden Menschen alt, ja sterben. Der Tod kennt keine Jahreszeiten. Seit dem Mittelalter haben Menschen den Tod personifiziert, ihn als "Sensenmann", "Gevatter" oder "Freund Hein" verfemt, als von außen kommende, endgültige Spaßbremse.
Erst in jüngster Zeit wird der Umgang mit dem Unvermeidlichen etwas differenzierter, der Tod als Teil des Lebens wahrgenommen, als Prinzip des Vergehens, das dem Menschen innewohnt seit dem Augenblick seines Werdens. Auch der Begriff des Jenseits ist erst mit der Moderne eingezogen, er meint eine mystische "andere Wirklichkeit" jenseits jener "Naturwirklichlichkeit", die der Mensch wahrzunehmen vermag.
Der amerikanische Philosoph und Schriftsteller Prentice Mulford (1834-1891) war überzeugt, dass der Begriff des Todes nur im Menschenhirn existiert – nirgends sonst, und das entstamme der Unfähigkeit des Menschen, über das Ende eines leiblichen Ausdrucks zur Unendlichkeit herüberzublicken. Christen nennen sie Ewigkeit.
Der zuverlässigste Begleiter, den der Mensch hat
Nach der Auflösung, so Mulford, seien immer noch Geist und Bewegung im Wesen, allein, um sich zu einem neuen Gedanken Gottes zu formen. Christen nennen es Auferstehung. Aber Mulford war nicht der einzige, der sich mit der Sterblichkeit auseinandersetzte: In der Literatur wie auch in der Kunst geht es fast immer um die zwei großen Themen: Liebe und Tod. Es sind die Sehnsucht nach Liebe und die Furcht vor dem Tod, die Kunstschaffende dazu drängen, sich mit beidem zu befassen, und beides bewegt wohl jeden Menschen.
Ist der Tod der große Schritt ins Unbekannte, das schmerzhafte Geheimnis, dann ist Todesangst der Schatten, vielleicht der zuverlässigste Begleiter, den der Mensch hat.
Christen, sollte man meinen, könnten einem sogenannten natürlichen Tod gelassen, ja sogar neugierig entgegengehen, glauben sie doch an die Unsterblichkeit der Seele. Weit gefehlt: Geht es ums Ganze, siegt auch bei ihnen die Angst vor dem Nichts, dem Verlust des "Ich bin". Selbst im Sterben drängt das Ego nach vorn.
So unterschiedlich die Menschen in den Tod gehen, so unterschiedlich sind ihre Erwartungen und Hoffnungen auf das "Danach". Selbst Gläubige können sich wenig vorstellen unter Auferstehung, und können sie es doch, fragen sie sich, ob sie es wirklich wollen, noch einmal aufstehen. Wer auf ein armseliges, leidvolles Leben zurückblickt, ist womöglich fertig mit dem Dasein, selbst, wenn es himmlische Züge trägt. Unvergessen der Aufschrei des Künstlers Christoph Schlingensief, als er, noch jung an Jahren, von einer unheilbaren Krebserkrankung übermannt wurde. Sein letztes Buch "So schön wie hier kann's im Himmel gar nicht sein" thematisierte seine Verzweiflung.
Frage nach dem "Danach" anders angehen
Womöglich sollten wir die Frage nach dem "Danach" anders angehen, sie loslassen. Wir leben nicht für uns selbst, sondern für einander, als Teil eines großen Ganzen. Leben und Sterben weisen über uns hinaus. Niemand hat sich selbst erschaffen, niemand darum gebeten, geboren zu werden und sterben zu müssen. Machen wir uns konsequent bewusst, dass unsere Existenz nicht in unserer Hand liegt, werden wir vielleicht immer deutlicher empfinden, dass etwas hoch über uns Wirkendes für uns sorgt, und dieses Wirkende zu uns spricht: "Du kannst nicht alles erfassen, das kann nur ich. Nimm daher hin, was ich dich wissen ließ und das Erkennen wird Dich entzücken, weit über deine gegenwärtigen Fragen hinaus."
Was dann bleibt ist das Vertrauen in dieses Wirkende, das schon vor uns war und immer sein wird. Christen nennen es Gott.
Die Autorin
Brigitte Haertel ist Redaktionsleiterin von "theo – Das Katholische Magazin".Hinweis: Der Artikel erschien zuerst im "theo"-Magazin.