Vor 30 Jahren wurde die "Kölner Erklärung" veröffentlicht

Ein Ruf der Empörung

Veröffentlicht am 25.01.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ 1989 formierte sich in Deutschland Widerstand: Rund 200 Theologieprofessoren schrieben eine wütende Erklärung gegen die Entmündigung durch Rom. Sie kritisierten insbesondere drei Punkte.

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Es war ein Paukenschlag. Rund 200 Theologieprofessoren aus dem deutschsprachigen Raum brachten mit der auf den 6. Januar 1989 datierten "Kölner Erklärung" fundamentale Kritik am römischen Kurs ihrer Kirche zum Ausdruck. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde der Appell am 25. Januar im Vorfeld des Abdrucks in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Weltweit schlossen sich später rund 500 weitere Hochschullehrer an. Es war, so sagen es die Wissenschaftler selbst, "ein Ruf der Empörung".

Vor allem drei Punkte stießen den Unterzeichnern auf: Zum einen das römische Vorgehen bei Bischofsernennungen, das die Ortskirchen missachte - nicht nur bei der gerade zuvor, im Dezember 1988 erfolgten Berufung von Kardinal Joachim Meisner nach Köln. Zweitens die Verweigerung der Lehrerlaubnis für Theologen, die nicht auf Linie der Glaubenskongregation lagen. Und drittens die in ihren Augen zu machtvolle Ausübung des Papstamtes durch Johannes Paul II.

Alles das kritisierten die Wissenschaftler mit Formulierungen, die Rom und vielen Bischöfen nicht passten: Die Rede war von der "fortschreitenden Entmündigung der Teilkirchen", von "neuem römischen Zentralismus", von Nuntiaturen im "Odium von Nachrichtendiensten", von Willkür und blindem Gehorsam.

Getragen wurde das fünfseitige Papier mit dem Untertitel "Wider die Entmündigung - für eine offene Katholizität" von Professoren, die in der Summe so etwas wie das "Who is Who" der deutschsprachigen Theologie bildeten: Johannes Gründel, Bernhard Häring, Friedhelm Hengsbach, Peter Hünermann, Norbert Mette, Johann Baptist Metz, Dietmar Mieth, Edward Schillebeeckx und natürlich Hans Küng, der ewige Widersacher Roms. Über Tage beherrschte der Aufstand der Intellektuellen nicht nur in der Bundesrepublik die Schlagzeilen. In den Medien ernteten die Professoren viel Zustimmung.

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Vieles, was heute in der Kirche als selbstverständlich gilt, ist eine Folge der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Katholisch.de blickt auf die wegweisende Versammlung und ihre wichtigsten Beschlüsse zurück.

Die deutschen Bischöfe mussten reagieren, und sie taten es: "Die Erklärung greift viele schwierige Themen auf, wird jedoch der Sachlage durch die pauschale Darstellung nicht gerecht", hieß es in einer ersten Stellungnahme. Die damals seit eineinhalb Jahren vom früheren Theologieprofessor Karl Lehmann geleitete Bischofskonferenz suchte nach einem Weg, sich einerseits klar gegenüber den Theologen abzugrenzen, aber andererseits die Gesprächstür offen zu halten. Rom sprach im Sinne einer Relativierung von einem "lokalen Vorgang", nahm ihn aber gleichwohl sehr ernst. Ein Zeichen dafür war, dass Lehmann zu einem Gespräch mit dem Papst in den Vatikan gebeten wurde.

Ob vor Ort in der Pfarrgemeinden, beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) oder für die einige Jahre später gegründete Gruppierung "Wir sind Kirche" - die "Kölner Erklärung" blieb über Jahre Referenzpunkt vieler Debatten. Ein konkretes Ergebnis waren die bis heute bestehenden "Mainzer Gespräche" zwischen Theologen und Bischöfen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die regelmäßigen Treffen verstanden und verstehen beide Seiten als "vertrauensbildende Maßnahme". Auch die "Europäische Gesellschaft für Katholische Theologie" wäre 1991 ohne die "Kölner Erklärung" sicher nicht ins Leben gerufen worden.

Knapp ein Vierteljahrhundert nach der Veröffentlichung geschah dann in Rom Unerwartetes: Nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. meldeten sich im Vorfeld der Wahl eines Nachfolgers Kardinäle zu Wort und kritisierten römische Kurienbehörden. Es ging um Krisenmanagement und Zentralismus. Mit dem Argentinier Jorge Mario Bergoglio wurde ein Kardinal zum Kirchenoberhaupt gewählt, der manches anders sieht als seine Vorgänger. Wenn Franziskus Dezentralisierung für heilsam und erforderlich hält, würden auch die Unterzeichner von 1989 zustimmen.

Sozialethiker und Mitunterzeichner Friedhelm Hengsbach, wie Bergoglio ein Jesuit, glaubt indes trotz "toller Impulse" des Papstes nicht, dass Franziskus grundlegend Strukturen verändern kann. Sobald es wie beim Thema Dezentralisierung ernst werde, "wird es vom Apparat im Vatikan gestoppt", sagte Hengsbach jetzt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Nur die Gemeinden vor Ort, so die Überzeugung des 81-Jährigen, könnten die Kirche aus ihrer "babylonischen Gefangenschaft" befreien. Notwendig sei eine "Rebellion" - und die könne nur von unten kommen. Vielleicht, so Hengsbach im Rückblick auf die "Kölner Erklärung", sei es damals ein Fehler gewesen zu hoffen, dass der Wandel von oben kommen könnte.

Von Michael Jacqumain (KNA)