"Erneuere Dich": Wie ich die Beichte neu entdeckte
"Wann hast Du eigentlich das letzte Mal gebeichtet?" Als mir diese Frage vor einiger Zeit von einem Bekannten gestellt wurde, brachte sie mich etwas in Verlegenheit. Denn obwohl ich für die Kirche arbeite und mir mein Glaube wichtig ist, bin ich in Bezug auf das Sakrament der Versöhnung ein Parade-Beispiel für einen jungen deutschen Katholiken: Wie oft ich in meinem Leben gebeichtet habe, kann ich wohl an einer Hand abzählen. Und das nicht, weil ich bei der Beichte jemals schlechte Erfahrungen gemacht hätte. Wenn ich ehrlich bin, liegt es eher an Bequemlichkeit und dem Unwillen, mich mit meinen Fehlern und negativen Charakterzügen auseinanderzusetzen. Doch das Gespräch mit meinem Bekannten weckte in mir den Ehrgeiz, mir ein Herz zu fassen und das zu ändern. "Du fährst doch zum Weltjugendtag. Da ist Beichte ein großes Thema", fügte er hinzu. So habe ich mich im Panama auf den Weg zum Beichtpark des Weltjugendtags gemacht, um zu sehen, ob er Recht hat.
Der sogenannte "Park der Vergebung" befindet sich auf einer großen Grünfläche von Panama-Stadt. Schon von weitem sehe ich eine lange Schlange mit mehreren hundert jungen Weltjugendtagspilgern vor dem Eingangstor. Die meisten unterhalten sich angeregt und fröhlich. "Wollen diese jungen Menschen alle beichten?", denke ich etwas erschrocken. Doch nachdem auch ich den Stadtpark betreten habe, wird mir klar, dass die meisten nicht zum Beichten gekommen sind. Verkaufsstände mit Essen und Souvenirs, Konzertbühnen und Pavillons für Veranstaltungen prägen das Bild des Parks.
Beichten im "Park der Vergebung"
Ich frage zunächst nach, wo sich die Beichtmöglichkeiten befinden. Doch nachdem mir ein Freiwilliger des WJT erklärt hat, dass der "Park der Vergebung" in zwei Minuten zu Fuß zu erreichen ist, gehe ich nicht direkt dorthin. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, mein Beichtexperiment gradlinig durchzuziehen, erscheint es mir nun attraktiver, zunächst über die Berufungsmesse zu gehen. Beichten kann ich sicher auch noch später. Ähnlich wie auf einem Katholikentag gibt es dort verschiedene Stände, an denen sich Orden und geistliche Gemeinschaften vorstellen. Die schmalen Gänge sind gut gefüllt. An einigen Ständen sitzen Ordensschwestern im Seniorenalter und warten gelangweilt auf interessierte Pilger. An anderen Ecken drängen sich die Jugendlichen, um Armbändchen mit Bibelsprüchen mitzunehmen oder ein Selfie mit einem Papp-Papst zu machen.
Als ich mich bis zum Ausgang der Berufungsmesse durchgekämpft habe, stehe ich plötzlich vor einem Gebetszelt. Eine Helferin erklärt mir enthusiastisch, dass die Originalmadonna aus Fatima dort sei und man einen vollständigen Ablass der zeitlichen Sündenstrafen erhalten könne. Ich nicke etwas verwirrt und trete in das Zelt ein. Dort erkenne ich tatsächlich die berühmte Marienstatue aus Portugal wieder. Die Anwesenheit der Fatima-Madonna verwundert mich nicht, denn bereits im Vorfeld des Weltjugendtags in Panama war spekuliert worden, dass das darauffolgende Treffen in diesem Marienwallfahrtsort stattfinden werde.
Junge und alte Menschen aus aller Welt drängen sich vor der hellweißen Figur, um vor ihr wahlweise zu beten oder Selfies zu machen. Wie ich von der Freiwilligen erfahre, ist das Gebet vor der Statue eine der Voraussetzungen, um den Ablass zu bekommen. Weitere sind die Beichte, die Teilnahme an einer Messe mit Kommunionempfang und ein Gebet für die Anliegen des Papstes. Das Wort Ablass schreckt mich zwar etwas ab, denn es erinnert mich an die Gründe für die Reformation Martin Luthers und die Kirchenspaltung. Aber ich muss, um den Ablass zu erhalten schließlich keinen Handel abschließen und hatte ja sowieso vor, zu beichten. So bete ich trotz des lauten Trubels im Zelt einige Minuten und ziehe dann weiter.
Beim Beichtpark angekommen, verschlägt es mir fast den Atem: In einer anscheinend unendlich langen Schlange stehen etwa 200 Teilnehmer des Weltjugendtags an. Sie alle warten darauf, dass einer der ebenso vielen Beichtstühle frei wird. Vielleicht haben sie sich von Schildern animieren lassen, die an einigen Bäumen des Parks angebracht sind und auf die Beichte hinweisen: "Erneuere Dich", steht auf ihnen. Mich sprechen sie jedenfalls an. Als ich mich ans Ende der langen Reihe anstellen will, kommt eine Freiwillige zu mir. Sie sagt, das sei die spanischsprachige Schlange. Wenn ich in einer anderen Sprache beichten möchte, könne ich mich in die zweite Schlange einreihen. Doch die ist nicht zu sehen. Schließlich finde ich das Ende der bloß zehn Personen zählenden Reihe ganz nah beim Eingang zum Beichtfeld. Einerseits bin ich froh, dass ich nicht stundenlang warten muss, anderseits merke ich, wie meine Nervosität steigt: Gleich ist es so weit, meine erste Beichte nach langer Zeit steht unmittelbar bevor. Ich rufe mir die Punkte in Erinnerung, die ich mit dem Priester besprechen möchte, ich hatte sie mir zuvor in einem stillen Moment überlegt. Auch wenn keine Kapitalverbrechen oder schwere Sünden darunter sind, ist doch einiges zusammengekommen.
Als ich an der Reihe bin, führt mich ein Helfer zu einem Priester, der mit einer dunklen Flieger-Sonnenbrille lässig auf seinem Hocker im Beichtstuhl sitzt. Zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass er Amerikaner ist und nur Englisch spricht. Der Freiwillige erklärt mir, dass derzeit kein deutscher Priester zur Verfügung steht. Auch in den letzten Tagen habe es nur sehr wenige deutschsprachige Geistliche gegeben, die den Beichtdienst versehen haben. Na toll, denke ich mir – und dass, obwohl die Deutschen nach den Panamaern die zweitgrößte Pilgergruppe stellen. So beichte ich also etwas stammelnd auf Englisch. Eine Premiere.
"Herzlichen Glückwunsch, Du hast gebeichtet!"
Das Gespräch mit dem Father ist wertschätzend und seine Anmerkungen helfen mir weiter. Nach der Lossprechung kommt es zu kurzem Small Talk und er erzählt mir, dass er ebenfalls als Journalist gearbeitet hat. Zum Abschluss gibt er mir die Hand und wünscht mir alles Gute. Ich verlasse den Beichtpark und werde am Ausgang beglückwünscht: "Herzlichen Glückwunsch, Du hast gebeichtet!", sagt mir eine Freiwillige und grinst mich an. Drei weibliche Jugendliche, die ihren T-Shirts zufolge einer geistlichen Gemeinschaft nahestehen, springen auf dem Weg hin und her. Sie rufen laut "Freiheit, Freiheit", denn auch sie haben gebeichtet und drücken so ihre Freude aus.
So ausgelassen wie sie bin ich nicht, aber auch ich freue mich, dass ich mich getraut habe, zur Beichte zu gehen. Mit der Lossprechung ist mir ein Stein vom Herzen gefallen und ich kann mir eine kleine Träne der Rührung und Freude nicht verkneifen. Ich spüre, dass sich meine Selbstüberwindung gelohnt hat und ich nun erleichtert durch das Leben gehen kann. In der Beichte hat mir Gott einen Neuanfang geschenkt, den ich wohl immer mit dem Weltjugendtag in Panama verbinden werde.