Zwischen "Jesu Opferung" und "Mariä Reinigung"

Darstellung des Herrn: Die alttestamentlichen Hintergründe zum Fest

Veröffentlicht am 02.02.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das heutige Fest der Darstellung des Herrn bewegt sich zwischen den beiden Brennpunkten "Jesu Opferung" und "Mariä Reinigung" - zwei Vorstellungen, die vielen Gläubigen das Verständnis des Festinhalts versperren können. Doch ein Blick auf die Vorschriften des Alten Testaments verschafft Klärung.

  • Teilen:

Am Fest der Darstellung des Herrn am 2. Februar werden "Jesu Opferung" und "Mariä Reinigung" gefeiert, wie das Fest früher genannt wurde und wie sie im Lukas-Evangelium berichtet werden: 40 Tage nach Weihnachten, dem Fest der Geburt Jesu, zog Maria zusammen mit Josef und Jesus nach Jerusalem zum Tempel, um ein Reinigungsopfer darbringen zu lassen und zudem ihren Erstgeborenen Gott zu weihen (Lukas 2,22-24). Vor allem die Vorstellung, dass die "ohne Erbsünde empfangene Jungfrau und Gottesmutter Maria" durch die Geburt Jesu unrein wurde und dass generell Geburt und Unreinheit zusammenhängen, scheint abstrus und aus feministischer Perspektive absurd.

Doch Maria und Josef handeln gemäß dem alttestamentlichen Gesetz. Acht Tage nach der Geburt Jesu hatten sie ihn beschneiden lassen, wie es Gott für alle Nachfahren Abrahams vorgeschrieben hatte (Genesis 17,9-14). Sieben Tage lang galt eine Frau nach der Geburt eines Sohnes als unrein und verlieb insgesamt 40 Tage in einem Status der Reinigung (Levitikus 12,2-4). Erst nach dieser Phase durfte sie wieder zum Tempel gehen und für sich von einem Priester ein "Sündopfer" darbringen lassen, so "Versöhnung" erwirken und "rein von der entstandenen Blutung" werden (Levitikus 12,6). An dieses Gesetz knüpft die Erzählung im Lukas-Evangelium an: "Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten …" (Lukas 2,22). Anders als das alttestamentliche Gesetz erklärt der Evangelist die Zeit der Reinigung jedoch nicht nur zu einem Ritual der Frau, sondern zu einer Familienangelegenheit – "für sie", d.h. für Maria und Josef. Das Gesetz im Buch Levitikus hingegen legt den Fokus auf die Frau und ihre vierzigtägige Unfähigkeit am Kult im Tempel teilzunehmen.

Linktipp: "Mariä Lichtmess" beendete früher Weihnachten

Am 2. Februar feiert die Kirche das Fest "Darstellung des Herrn", das vielerorts auch "Maria Lichtmess" genannt wird. Worauf geht das Fest zurück und was hat es mit den Lichtern und Weihnachten zu tun?

Die siebentägige Unreinheit wird mit der Unreinheit der Menstruation verglichen: "Wenn eine Frau empfängt und einen Knaben gebiert, ist sie sieben Tage unrein, wie sie in der Zeit ihrer Regel unrein ist." (Levitikus 12,2). Blut galt als Lebenskraft und dementsprechend wurde ein blutiger Ausfluss als ein Zeichen des Todes oder der Todesnähe gedeutet. In diesem Zustand sei die Frau somit nicht im Vollbesitz ihrer Lebenskraft und konnte sich daher dem Gott des Lebens im Kult nicht nähern. Gemäß dem alttestamentlichen Gesetz folgt der siebentätigen Phase der Kultunfähigkeit eine 33-tägige Zeit der Reinigung. Diese Phase stimmt mit dem Wundheilprozess in der Gebärmutter überein, der 6-8 Wochen nach der Geburt abgeschlossen ist. Die im Gesetz angegebenen Zeitspannen, sieben Tage der Unreinheit und insgesamt 40 Tage bis zur Zulassung zum Opfer, sind symbolträchtig: erst nach sieben Tagen ist die Schöpfung durch Gott vollendet (Genesis 1,1-2,3); die Sintflut dauerte 40 Tage (Genesis 7,17); Mose verbrachte 40 Tage auf dem Berg Sinai bei Gott, als er die Gesetze Gottes empfing (Exodus 24,18). Im Falle der Frau dienen die 40 Tage gemäß dem alttestamentlichen Gesetz nicht der patriarchalen Abwertung, sondern dem Schutz der Frau.

Statt "Sündopfer" eher "Entsündigungsopfer"

Das durch die Geburt vergossene Blut stellte einen zwar nicht vermeidbaren, aber von Gott trennenden Vorgang dar. Die Reinigung diente der Wiederherstellung des Gottesverhältnisses, was das darzubringende "Sündopfer" verdeutlicht. Eigentlich sollte der zugrungeliegende hebräische Begriff besser mit dem Wort "Entsündigungsopfer" wiedergegeben werden. Sünde bedeutet in diesem Kontext keine moralische Verfehlung, sondern einen von Gott trennenden Vorgang. Und gemäß Levitikus 4-5 ist ein Entsündigungsopfer für Sünden darzubringen, die ohne Vorsatz begangen wurden. Die Israeliten deuteten die Geburt aufgrund des vergossenen Blutes als einen von der Frau moralisch nicht zu verantworteten Vorgang, der sie von Gott getrennt hat. Infolgedessen bedarf es einer Versöhnung mit Gott durch eine kultische Wiederherstellung des Gottesverhältnisses. Im Unterschied jedoch zu den kultischen Gesetzen betreffs des Entsündigungsopfers wird in Levitikus 12 nicht festgestellt, dass der Frau "vergeben werde" – denn der Blutfluss der Frau nach der Geburt stellt keinen moralischen Makel dar und es bedarf keiner Vergebung durch Gott – dies wird auch daran deutlich, dass neben Menstruationsblut und Wochenfluss auch Samenflüssigkeit als eine Quelle der Unreinheit aufgeführt wird (Levitikus 15,16-18).

Player wird geladen ...
Video: © katholisch.de

Pater Philipp Meyer von der Benediktinerabtei Maria Laach erklärt das Gebet "Nunc dimittis" und seine Bedeutung.

Das alttestamentliche Gesetz aus Levitikus 12 steht im Hintergrund der Erzählung von der Darstellung Jesu im Tempel, aber es geht doch im Verweis darauf, um etwas anderes. Das von Maria und Josef dargebrachte Opfer hebt ihre Frömmigkeit hervor. Und nebenbei erfährt der Leser, dass Maria und Josef zur sozialschwachen Bevölkerungsschicht gehörten, denn sie opferten nur "wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben" (Lukas 2,24). Die eigentlich im Buch Levitikus vorgesehenen Opfertiere sind ein einjähriges Lamm und eine Haus- oder eine Turteltaube. Das Gesetz bietet jedoch die Möglichkeit, wenn die damit einhergehenden Kosten nicht bezahlbar sind, stattdessen "zwei Turteltauben oder zwei Haustauben" opfern zu lassen (Levitikus 12,8).

Alle Erstgeburt ist Gott geweiht

Das im Buch Levitikus vorgeschriebene Opfer ist der Ausgangspunkt der Erzählung von der Darstellung Jesu im Tempel und es steht an dessen Ende. Es umrahmt sozusagen die Erfüllung eines weiteren Gebotes: "Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden." (Lukas 2,22-23). Im Buch Exodus befiehlt Gott dem Mose zur Erinnerung an die Befreiung Israels aus Ägypten und die Tötung aller Erstgeburten Ägyptens durch Gott: "Erkläre alle Erstgeburt als mir geheiligt! Alles, was bei den Israeliten den Mutterschoß durchbricht, bei Mensch und Vieh, gehört mir. … Jeden Erstgeborenen deiner Söhne musst du auslösen." (Exodus 12,2.13).

Die Auslösung geschah durch ein Geldopfer im Tempel. Bemerkenswerterweise berichtet das Lukas-Evangelium nicht davon, dass Jesus von seinen Eltern ausgelöst wurde. Entweder setzt dies der Evangelist stillschweigend voraus oder er deutet damit bereits auf die enge Beziehung zwischen Gott dem Vater und Jesus hin. Aufgrund Jesu, dem zum Tempel gebrachte Baby, wird Gott von Simeon gepriesen: "Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel." (Lukas 2,29-32).

Von Till Magnus Steiner

Der Artikel erschien erstmals am 2. Februar 2019 und wurde am 2. Februar 2020 aktualisiert.