Eichstätter Bistumsanwälte rechnen mit klerikaler "Machtclique" ab
Im Finanzskandal des Bistums Eichstätt geraten ein Jahr nach seiner Bekanntmachung hochrangige Geistliche ins Visier. Die Anwälte der Diözese nennen in ihrem am Dienstag vorgestellten 148 Seiten starken Prüfbericht "die maßgeblichen und führenden Mitglieder des Domkapitels in den Jahren 2004 bis 2015 als faktisch Hauptverantwortliche". Zum eigenen Machterhalt hätten diese eine Organisationsstruktur etabliert und verlängert, "die letztlich einem 'Feuchtbiotop' für Straftäter im Vermögensbereich gleichkommt".
Es sei auffällig, dass zum Teil bis heute "von diesem Zirkel" die umfassende Teilnahme an der Leitung der Diözese beansprucht, die eigene Verantwortung für den Skandal aber "nahezu ausnahmslos negiert" werde. Insbesondere der damalige Finanzdirektor und Domdekan habe seine Fähigkeiten überschätzt. Er sei "unvertretbare Risiken" eingegangen, und zwar schon vor den derzeit strafrechtlich untersuchten ungesicherten Darlehen für 31 Immobilienprojekte in den USA.
Ihn fassen die Anwälte in ihrem Bericht deutlich härter an als bisher. Vor einem Jahr hielten sie es noch für denkbar, der Betreffende sei von seinem Vize getäuscht worden. Inzwischen sprechen die Juristen von einem "System Eichstätt". Dieser Begriff dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die damit bezeichneten Missstände zumindest bis 2013 "in Deutschland durchaus verbreitet waren", vielleicht sogar noch sind, wie sie mutmaßen.
Verstoß gegen das Kirchenrecht
Ein besonders drastisches Beispiel aus dem Jahr 2012: Da gründet das Bistum Eichstätt auf Betreiben seines Finanzdirektors mit einer Reederei eine Gesellschaft zum Kauf und Betrieb von Frachtschiffen. Der Direktor reist mit seinem Stellvertreter "First Class" auf Einladung nach Manila auf die Philippinen. Doch statt der erhofften Gewinne, werden fünf Millionen Euro versenkt.
Obwohl vom Kirchenrecht vorgeschrieben, gab es dem Bericht zufolge in Eichstätt jahrzehntelang keinen Diözesanvermögensverwaltungsrat, nämlich bis 2005. Und auch später sei das Gremium "fachlich inaktzeptabel und rechtswidrig besetzt" worden. Ein "enger Zirkel hochrangiger Kleriker" habe sämtliche Schaltstellen in der Verwaltung besetzt und zugleich Kontrolle sowie Beratung ausgeübt, "unter der bewussten Inkaufnahme der eigenen fachlichen Inkompetenz". Zugleich habe man sich kritische Nachfragen verbeten.
Dem Benediktiner Gregor Maria Hanke, seit 2006 Bischof, wird bescheinigt, schon ab 2007 den Einfluss des "Systems Eichstätt" verringert zu haben, wenn auch zunächst nicht energisch genug. Zugleich bestätigen die Anwälte Hanke, dass erst durch dessen Transparenzoffensive 2015 der Skandal aufgedeckt und weiterer Schaden vermieden werden konnte. Indes hat der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller dem Bischof erneut den Rücktritt nahegelegt.
Der Prüfbericht ist bereits der Staatsanwaltschaft und dem Vatikan zugeleitet worden. Ob es dort zu neuen Schritten in der Affäre kommt, bleibt abzuwarten.
Um Schadensbegrenzung bemüht
Derweil bemüht sich das Bistum um Begrenzung des finanziellen Schadens - mit überschaubarem Erfolg. Von den noch ausstehenden US-Darlehen in Höhe von rund 54 Millionen Dollar sind bereits mehr als 44 Millionen fällig, aber nicht zurückgezahlt. Die Verhandlungen mit den Darlehensnehmern schleppen sich hin. Die Eichstätter sprechen von Verzögerungstaktik und wollen nun einen Anspruch über zwei Millionen Dollar in einem ersten Fall in den USA gerichtlich durchsetzen.
Nach den erfolgten Verwaltungsreformen ist nach Einschätzung der Anwälte vom "System Eichstätt" nicht mehr viel übrig. Allerdings empfehlen sie mehr Sorgfalt bei der Aktenführung. Mitarbeiter sollten Anlaufstellen für die Meldung verdächtiger Vorkommnisse erhalten. Die Bistumsleitung sei gut beraten, Haftungsansprüche zu prüfen.
Auch über Eichstätt hinaus könnte der Skandal Folgen haben. Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob Bischöfe nicht generell Fortbildungen in Führung und Management absolvieren sollten, bezeichnete Hanke die bisherigen Einführungskurse für neue Bischöfe in Rom als "bei weitem nicht ausreichend". An die bayerische Bischofskonferenz adressierten die Anwälte den Rat, den Dualismus von Diözesansteuerausschuss und Diözesanvermögensverwaltungsrat zugunsten eines kleineren, rein fachlich besetzten Gremiums zu überwinden.