Festakt zum 100-jährigen Jubiläum der Nationalversammlung

Kirchen würdigen Weimarer Verfassung – und warnen

Veröffentlicht am 06.02.2019 um 12:30 Uhr – Lesedauer: 

Weimar ‐ 100 Jahre nach dem ersten Zusammentritt der Weimarer Nationalversammlung haben die Kirchen die erste deutsche Republik gewürdigt. Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr warnte aber auch vor neuen Gefahren für die Demokratie in Deutschland.

  • Teilen:

Bei einem Festakt zum 100-jährigen Jubiläum der Weimarer Nationalversammlung haben die beiden großen Kirchen an die erste Demokratie in Deutschland erinnert und die Arbeit der verfassungsgebenden Versammlung gewürdigt. "Den Müttern und Vätern der Weimarer Verfassung gilt unser Respekt und unsere Dankbarkeit", sagte der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr am Mittwoch bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Herderkirche in Weimar.

Wenn heute an die Weimarer Verfassung erinnert werde, "dann sind wir uns dankbar bewusst, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vieles von der Weimarer Verfassung übernommen hat, nicht nur die Regelungen des Verhältnisses von Staat und Religionsgemeinschaften", so Neymeyr weiter. Der Erfurter Bischof hielt die Predigt gemeinsam mit der evangelischen Landesbischöfin Ilse Junkermann. Der Gottesdienst bildete den Auftakt des Festaktes, zu dem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und weitere Vertreter des Staates erwartet wurden.

Bischöfin kritisiert Rolle der Christen in der Weimarer Republik

Junkermann erinnerte in der Predigt auch an die Gegner der Weimarer Republik. Diese hätten einfache und radikale Lösungen versprochen. "Wie unfassbar grausam und unmenschlich waren die Folgen, als die Nazis die Demokratie aushebelten und ihre Rassen- und Eroberungsideologie zum Staatsziel machten", so die Bischöfin. Zugleich kritisierte Junkermann, dass nur eine Minderheit der Christen in der Weimarer Republik der aufkommenden Diktatur widerstanden habe.

Der ehemalige Mainzer Weihbischof Ulrich Neymeyr ist seit 2014 Bischof von Erfurt.
Bild: ©picture alliance / dpa / Michael Reichel

Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr würdigte die Arbeit der Weimarer Nationalversammlung.

Neymeyr warnte mit Blick auf aktuelle Ereignisse vor gesellschaftlichen Fehlentwicklungen. "Gruppenbezogene Menschenverachtung findet Gehör, Antisemitismus in Worten und Taten nimmt zu, im Herzen der Demokratie in den Parlamenten wird der Ton aggressiv und polemisch", so der Bischof. Angesichts solcher Herausforderungen für die Demokratie seien auch Christen zum Einsatz für "ein freies, gleichberechtigtes, demokratisches Miteinander" aufgerufen. Es gelte, mitzubauen an einer Zivilisation der Gerechtigkeit und des Friedens.

Historiker: Protestanten sind nie in der Weimarer Republik angekommen

Der Gottesdienst und der anschließende Festakt erinnerten an den ersten Zusammentritt der verfassungsgebenden Nationalversammlung am 6. Februar 1919 im Deutschen Nationaltheater in Weimar. Die mehr als 400 Abgeordneten der Nationalversammlung erarbeiteten danach in weniger als sechs Monaten die Verfassung der Weimarer Republik. Sie wurde am 31. Juli 1919 beschlossen und trat am 14. August 1919 in Kraft. Die neue Verfassung schrieb unter anderem erstmals das Frauenwahlrecht fest. Neu war auch die in der Verfassung verankerte betriebliche Mitbestimmung sowie die Trennung von Kirche und Staat bei gleichzeitig geltender Religionsfreiheit.

Unterdessen kritisierte der Historiker Thomas Großbölting die Rolle der evangelischen Christen in der Weimarer Republik. Diese hätten wenig zur Stabilität des Staates beigetragen. "Die Protestanten kommen in der Republik eigentlich nie an. Sie sind geschockt, dass sie vom Thron getrennt sind. Dazu kommt, dass man in den einzelnen Landeskirchen auch dominierende konservative Strömungen hat, die die Republik und die Demokratie als Staatsform ablehnen"“, betonte Großbölting in einem auf evangelisch.de veröffentlichten Interview. Große Teile des Protestantismus hätten in der Weimarer Republik nie ein Zuhause gefunden und stattdessen im Wunsch nach einer autoritären Staatsform verharrt. "Der Weg in den Nationalsozialismus wurde dann zusätzlich gebahnt durch einen ausgeprägten Antijudaismus und Antisemitismus", so der Historiker. (stz)