Kirchen ehren scheidenden Berlinale-Direktor Kosslick
Die beiden großen Kirchen haben den scheidenden Berlinale-Direktor Dieter Kosslick mit dem Ehrenpreis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet. Kosslick erhielt den Preis am Sonntagabend beim traditionellen Ökumenischen Empfang der Kirchen anlässlich der Filmfestspiele, die noch bis zum 17. Februar in Berlin stattfinden.
Die Präsidentin der Internationalen Kirchlichen Filmorganisation "Interfilm", Julia Helmke, dankte Kosslick für seine "dauerhafte und substanzielle Unterstützung" der Ökumenischen Jury und seinen Einsatz für die Berlinale. Das Festival habe sich unter ihm auch zu einem politischen Festival entwickelt. "Man erkennt vielleicht erst heute, nach der Erschütterung zahlreicher politischer, moralischer und kulturell-kommunikativer Gewissheiten, den Wert und die Bedeutung dieser entschiedenen Positionierung", so Helmke.
Kosslick fordert von Kirchen Engagement für Flüchtlinge
Kosslick, der nach 18 Jahren aus dem Amt scheidet und in diesem Jahr sein letztes Festival leitet, dankte den Kirchen für die Auszeichnung. Mit Blick auf das Schicksal von Flüchtlingen appellierte der 70-Jährige an die Kirchen, "als der natürliche und einzige Verbündete" dieser Menschen weiter mit Empathie auf Fremde zuzugehen. In diesem Zusammenhang kritisierte Kosslick mit deutlichen Worten die Flüchtlingspolitik der CSU und insbesondere Bundesinnenminister Horst Seehofer.
Der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Rottenburgs Bischof Gebhard Fürst, würdigte in seiner Rede die gesellschaftliche Funktion der Medien. Niemand könne "alle Sachverhalte selbst prüfen, um so ein wahrheitsgetreues Bild von der Wirklichkeit zu gewinnen, sondern wir brauchen dazu Vermittler". Zugleich verwies er auf den Fall des ehemaligen "Spiegel"-Redakteurs Claas Relotius, der im Dezember als Fälscher enttarnt worden war. "Kann man in Zukunft Texte noch unbefangen lesen, die besonders anschaulich und detailgenau sind, so dass sie den Eindruck erwecken, sie seien ganz nah dran an den Menschen, über die sie berichten", fragte Fürst.
Das Kino spiele in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. "Der Film arbeitet mit der Fiktion, die den Zuschauer nicht täuscht, keinen Wahrheitsanspruch erhebt, aber dennoch wahrhaftig sein kann", so Fürst. Wer ins Kino gehe, lasse "die sogenannte wirkliche Welt" und die Netzwerke temporär hinter sich, um sich einer anderen Wahrnehmungsform zu überlassen. "Wir verlieren die Welt, um eine neue zu gewinnen, die ganz gegenwärtig ist und durch die Sinnlichkeit der Anschauung überzeugt", betonte der Bischof.
Fürst ging auch auf den im Berlinale-Wettbewerb gezeigten Film "Grâce à Dieu" von Francois Ozon über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche ein. Diese habe sich, auch wenn dies "unbestreitbar schmerzhaft" sei, für den Weg der "rückhaltlosen Aufklärung" entschieden. "Damit wir uns ein Bild machen können, was Missbrauch bedeutet, vor allem für die Opfer, sind auch Filme wichtig, die hier Impulse geben", betonte er. Ozons Drama basiert auf dem Fall des Priesters Bernard Preynat, der von 1986 bis 1991 rund 70 Jungen missbraucht haben soll. Der Erzbischof von Lyon, Kardinal Philippe Barbarin, steht derzeit wegen Nichtanzeige der sexuellen Übergriffe vor Gericht.
Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, erklärte, das deutsche Kino befinde sich in einer Krise. Diese habe nicht nur wirtschaftliche oder technologische Ursachen. Als Teil des Kulturlebens müsse es sich auch inhaltlich und politisch in einem raueren Klima behaupten. Erforderlich sei "mehr Solidarität untereinander, ein Einstehen füreinander". Das betreffe nicht nur die Filmbranche, auch die Kirchen müssten ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen und Haltung zeigen. Dabei dürften sie es sich "nicht zu einfach machen". Es reiche nicht aus, "zu glauben, auf der richtigen Seite zu stehen". Aktiver Widerspruch sei gefragt.
Ökumenische Jury zeichnet besondere Filme aus
Bei dem Empfang wurde zudem die diesjährige Ökumenische Jury vorgestellt. Jurypräsidentin ist die deutsche Medienwissenschaftlerin Anna Grebe. Weitere Mitglieder des Gremiums sind: Pamela Aleman, Pressesprecherin der Diözese Hamilton in Kanada, Micah Bucey, Pfarrer aus den USA, die Literaturprofessorin Dominic Dipio aus Uganda, die kanadische Autorin und Übersetzerin Kristine Greenaway sowie Margrit Frölich, Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Frankfurt am Main.
Die Jury vergibt ihren Hauptpreis für einen Film aus dem Berlinale-Wettbewerb, sowie je einen mit 2.500 Euro dotierten Preis für einen Film aus der Sektion "Panorama" und aus dem Programm des "Forums". Die Jury ehrt mit ihren Preisen Filmschaffende, die in ihren Filmen ein menschliches Verhalten oder Zeugnis zum Ausdruck bringen, das mit dem Evangelium in Einklang steht, oder die es in ihren Filmen schaffen, das Publikum für spirituelle, menschliche und soziale Werte zu sensibilisieren. (stz)