Kolumne: Unterwegs zur Seele

Die Seele – Mehr als ein abstrakter Begriff

Veröffentlicht am 14.02.2019 um 15:00 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Homer, Epikur, Platon: Seit mehr als 2.500 Jahren versucht sich die Menschheit daran, die Seele zu erklären. Die modernen Naturwissenschaften wollen sie dagegen als biochemischen Vorgang wegdiskutieren. Was also hat es mit der Seele auf sich?

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Der Name dieser Rubrik bezieht sich auf etwas, von dem gar nicht so klar ist, ob und was es ist. Und dennoch ist die Bezeichnung dafür ganz selbstverständlich im Umlauf: die Seele, ein abstrakter Begriff, der sich mehr und mehr ins Zwischenmenschliche vorwagt. Da geht der Seelenmensch um, der Seelenverwandte, der Seelentröster - und Seelenfänger in modernen Wellness-Tempeln ködern Gäste mit dem Slogan "Mal die Seele baumeln lassen". Diese abgedroschene Verheißung überdauerte die Jahrzehnte - die Seele, wirklich eine unberechenbare Gauklerin, die von Zeit zu Zeit der Streicheleinheiten bedarf?

Die Philosophie ringt schon die ganze Menschheitsgeschichte lang um eine gültige Definition: Homer glaubte, dass die Seele von außen in den Menschen eindringe und nach dem Tod wieder entweiche. Epikur war überzeugt, dass die Seele mit dem Körper stirbt. Und Platon sah die Seele gar zweigeteilt: Der Großteil der Seele sei unsterblich, ein kleiner Teil, der für die Begierden zuständige, müsse aber mit dem Körper vergehen. Das Christentum entwickelte diese Idee weiter: Die Seele verlässt den Körper nach dem Tod und steigt auf zu Gott, wo sie wohnt bis zum Jüngsten Gericht.

Sind wir nur ein biochemischer Vorgang?

Hartnäckig versucht die Wissenschaft, die Seele als biochemischen Vorgang in Gehirn und Körper wegzudefinieren, aber damit finden die wenigsten Menschen sich ab. Jeder, der schon einmal einen Menschen hat sterben sehen, kann sich vorstellen, dass eine Seele existiert: Da liegt der Tote, kaum wiederzuerkennen, fremd, eine leblose Hülle. Die Seele ist der letzte unverwechselbare und unverfügbare Kern eines Menschen. So tasten Theologen sich an das Mysterium heran, und die Behauptung, Körper, Geist und Seele gehörten zusammen, gespenstert seit langem durch die Wirklichkeit. Aber stimmt sie auch?

Bild: ©arsdigital/Fotolia.com

In der katholischen Kirche haben die Seelen sogar ihren eigenen "Feiertag". An Allerseelen (2. November) begeht sie das Gedächtnis ihrer Verstorbenen.

Es sind in der Tat neue, wissenschaftliche Erkenntnisse in der Welt, die verblüffende Verbindungen zwischen Körper und Psyche offenbaren, nämlich dass seelisches Leid der Gesundheit schaden kann und dass der Körper Gefühle mitsteuert. Über die Seele zu sprechen, fällt anscheinend vielen Menschen leichter als über Gott und über himmlische Heerscharen. Dabei ist es, als wollten sie etwas Übersinnliches in die messbare Welt zerren – bislang vergebens.

Gott bläst dem Menschen seinen Atem ein

Im Markus-Evangelium sagt Jesus den Satz: "Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?"Was sie Seele ist, sagte Jesus nicht. Und in der Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments bläst Gott dem Menschen seinen Atem ein – und er atmet ebenfalls, ist jetzt "beseelt".

Esoteriker wissen es wie immer ganz genau, haben sich die Seele einverleibt und bieten "Seelenmassagen" und "Seelenkunde" feil. Der Ego-Trip muss weitergehen im spirituellen Großhandel. In Wirklichkeit ist es wohl andersherum:  Alles, was der Mensch für andere tut, tut er auch für seine Seele – was immer die Seele sein mag.

Von Brigitte Haertel

Die Autorin

Brigitte Haertel ist Redaktionsleiterin von "theo – Das Katholische Magazin".

Hinweis: Der Artikel erschien zuerst im "theo"-Magazin.