Erzbistum Freiburg diskutiert radikalen Strukturwandel

Erzbischof Burger: Seelsorgliches "Vollprogramm" nicht mehr zu leisten

Veröffentlicht am 16.02.2019 um 15:35 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Das Erzbistum Freiburg steht vor gravierenden Veränderungen: Man könne das, was man derzeit anbiete, nicht auf Dauer halten, sagte Erzbischof Stephan Burger vor Delegierten. Nun gelte es, eine neue Vision von Kirche zu entwerfen.

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Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger hat die Katholiken im Südwesten auf tief gehende Reformen in der Seelsorge und im gesamten kirchlichen Leben eingestimmt. Das Erzbistum stehe vor radikalen Veränderungen. "Seien wir ehrlich, machen wir uns nichts vor. Wir können das, was wir derzeit anbieten, auf Dauer nicht halten", sagte Burger am Freitag in Freiburg vor rund 170 Delegierten aus der gesamten Diözese. Kirche wolle zwar weiterhin "in die Fläche hineinwirken", ein seelsorgliches "Vollprogramm" sei aber nicht mehr zu leisten.

Burger verwies auf dramatische Rückgänge bei der Zahl von Gläubigen und Priestern sowie bei haupt- und ehrenamtlichen Kirchenmitarbeitern. Auch zeichne sich für die kommenden Jahre ein Sinken der Kirchensteuereinnahmen ab. Zudem sei Kirche mit einem zunehmenden gesellschaftlichen Bedeutungsverlust konfrontiert, so der Bischof.

Vision statt Resignation

Statt Resignation gelte es nun, gemeinsam eine neue Vision von Kirche, Seelsorge und religiösem Leben zu entwerfen und zu gestalten, sagte Burger. "Wir geben unseren Anspruch nicht auf, für die da zu sein, die uns brauchen, die nach dem gelebten Evangelium suchen." Es brauche Personen und Orte, um auch in Zukunft die "versöhnende, befreiende, tröstende und stärkende Kraft Gottes" erfahren zu können.

Burger rief alle Katholiken dazu auf, sich an den geplanten Reformdebatten zu beteiligen. Nötig seien Teamgeist und eine gute Gesprächskultur. Als Grundlage des auf zwei Jahre angelegten Reformprozesses verwies Burger auf das von der Bistumsleitung erarbeitete Konzeptpapier "Kirchenentwicklung 2030".

Bild: ©JFL Photography/Fotolia.com

Das Erzbistum Freiburg steht vor gravierenden strukturellen Veränderungen.

Es sieht vor, die Zahl der Kirchengemeinden drastisch zu verkleinern. Statt bislang 224 Gemeinden mit rund 1.000 Einzelpfarreien soll es künftig zwischen Bodensee und Mannheim nur noch rund 40 Kirchengemeinden geben. Unter dem Dach der neuen Großgemeinden sollen vor Ort, auf Ebene der heutigen Pfarreien, unterschiedliche kirchliche Modelle und Initiativen entstehen. So könnten Ehrenamtliche und Nichtpriester neue Freiheiten und Führungsverantwortung erhalten.

kfd: Bei Gemeindeleitung nicht länger auf Frauen verzichten

Einzelne Delegierte kritisierten am Freitag, dass Burger in den Plänen nicht vom Prinzip der Gemeindeleitung durch einen Priester abrücke. "Wir dürfen hier nicht länger auf Frauen verzichten", sagte die Diözesanvorsitzende der Frauengemeinschaft kfd, Monika Bohn. Sie forderte die Weihe von Diakoninnen. Hermann Schwörer, Vorstand im Diözesanrat, mahnte eine Demokratisierung kirchlicher Entscheidungen an. Der Leiter der katholischen Akademie des Erzbistums, Karsten Kreutzer, sagte, die Reformdebatten müssten vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals auch über die Machtverhältnisse in der Kirche reflektieren. Auch sprachen sich die Delegierten im Blick auf die anstehenden Veränderungen für einen engen Dialog mit der evangelischen Kirche aus.

Die Reformen bei Kirchenstrukturen und Gemeindeleben sollen in den kommenden Monaten vor Ort und in den verschiedenen kirchlichen Gruppen, Vereinen und Initiativen diskutiert werden. In zwei Jahren sollen die Debatten dann zu konkreten Beschlüssen zusammengeführt und bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden. Ähnliche Strukturdebatten gibt es derzeit in mehreren deutschen Bistümern. Auf erheblichen Widerstand an der Basis trafen die Pläne für Großkirchengemeinden zuletzt im Bistum Trier. (KNA)