"Falscher Priester" trotz Weihe?
Im Dezember des vergangenen Jahres wurde das Leben von Miguel Ángel Ibarra Marín auf den Kopf gestellt. Bis dahin war der Kolumbianer Pfarrer der Kirchengemeinden "Santa María" und "Santiago Apóstol" in der Kleinstadt Medina Sidonia im Süden Spaniens. Ibarra wirkte erst seit drei Monaten in dem andalusischen Ort nahe der Hafenstadt Cádiz. Dennoch wurde er von den Gemeindemitgliedern sehr geschätzt: "Er war wirklich nett, aufmerksam, sehr fleißig und nah bei den Menschen", sagen seine Nachbarn. "Das ganze Dorf mochte ihn, weil er ein guter Priester war." Der Kolumbianer hatte sich gut integriert und "sogar den Eingang zum Pfarrhaus für Weihnachten geschmückt". Doch Mitte Dezember reiste er plötzlich unter einem Vorwand in sein Heimatland ab.
Den wahren Grund für den hektischen Aufbruch Ibarras nach Kolumbien erfuhren die Gläubigen erst kurz vor Weihnachten: Ihr Pfarrer war vom zuständigen Ortsbischof in Cádiz abgesetzt worden – von einem Tag auf den anderen. Dem kolumbianischen Erzbistum Santa Fe de Antioquia, in das Ibarra inkardiniert ist, war durch einen anonymen Hinweis einige Monate zuvor aufgefallen, dass seine Priesterweihe nirgendwo verzeichnet ist. Erzbischof Orlando Antonio Corrales García ordnete daraufhin eine umfassende kanonistische Untersuchung an.
Sind die Bescheinigungen gefälscht?
Dabei kam etwas heraus, das in dem kolumbianischen Erzbistum eigentlich längst bekannt war: Ibarra war 2011 in den Klerus des Erzbistums aufgenommen wurde, nachdem er zuvor Dokumente über seine Priesterweihe im 400 Kilometer entfernten Erzbistum Tunja vorgelegt hatte. Doch heute halten die Kirchenrechtler des Erzbistums die vor mehreren Jahren beigebrachten Bescheinigungen für gefälscht. Denn in Tunja ist keine Weihe Ibarras verzeichnet. Deshalb informierte Corrales den Bischof von Cádiz, Rafael Zornoza Boy, über das Ergebnis der Untersuchungen gegen Ibarra, der aufgrund einer Vereinbarung der beiden Diözesen seit 2017 in dessen Bistum tätig war, um den auch in Spanien vorherrschenden Priestermangel abzumildern. Zornoza enthob Ibarra seines Amtes und ließ über seine Pressesprecherin verkünden, dass die von Ibarra vollzogenen Taufen und in seiner Anwesenheit geschlossenen Ehen gültig seien. Zudem händigte er dem Geistlichen eine Vorladung zu seinem Erzbischof in Santa Fe de Antioquia aus.
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Ibarra wollte sich den Vorwurf nicht gefallen lassen, die Kirche seit Jahrzehnten an der Nase herumgeführt zu haben, und reiste mit einem Anwalt nach Kolumbien. Dort erzählte er dem Erzbischof erneut die ungewöhnliche Geschichte seiner Priesterweihe, die dieser schon kannte – schließlich hatte Corrales Ibarra als Theologie-Studenten kennengelernt und ihn später in sein Erzbistum aufgenommen. Ibarra behauptet, im Jahr 1998 von Erzbischof Augusto Trujillo Arango im kolumbianischen Tunja zum Priester geweiht worden zu sein – allerdings in einem nicht-öffentlichen Gottesdienst in seiner Privatkapelle. "Ähnlich wie Papst Johannes Paul II.", vergleicht der umstrittene Geistliche seine Weihe mit der geheimen Priesterweihe Karol Wojtyłas im Jahr 1946.
Ibarra "hing in der Luft"
Ibarra sollte nach der Weihe in eine Gemeinschaft aufgenommen werden, die sein Erzbischof gründen wollte, die "Priester der Passion". Diese Kongregation wurde jedoch nie ins Leben gerufen, da Trujillo einen Monat nach der zur Debatte stehenden Priesterweihe 75 Jahre alt wurde und in den Ruhestand trat. Leider vergaß er auch, die Weihe des Neupriesters beim Erzbistum verzeichnen zu lassen – ein Vorgang, der verpflichtend durch das Kirchenrecht vorgesehen ist. Er habe Ibarra jedoch direkt nach seiner Ordination eine Bescheinigung unterschrieben. Zudem gibt es Fotos und Zeugen von Ibarras Priesterweihe, die wohl wirklich stattgefunden hat. Die Anwesenden wurden bei der Untersuchung aus dem Jahr 2011 befragt und als glaubwürdig anerkannt, sodass der mit den Nachforschungen beauftragte Kanonist damals zu dem klaren Urteil kam: "Es besteht kein Zweifel an der Gültigkeit der Diakonen- und Priesterweihe."
Dennoch ist Ibarras Weihe im Erzbistum Tunja nicht bekannt. Das begründet der suspendierte Pfarrer damit, dass er von 1998 bis 2011 nicht als Priester gearbeitet habe. Als die "Priester der Passion" nicht gegründet wurden, "hing ich in der Luft", gibt Ibarra zu. Erzbischof Trujillo riet ihm, Psychologie zu studieren. Nach Abschluss des Studiums habe er sich "in Kolumbien der Arbeit als Psychologe gewidmet" so Ibarra. Erst 2011, vier Jahre nach dem Tod Trujillos, entschied er sich, sein Priesteramt auszuüben und wandte sich dafür an das Erzbistum Santa Fe de Antioquia. Den dortigen Erzbischof Corrales kannte Ibarra schließlich noch aus dessen Zeit als Professor für Moraltheologie am Priesterseminar. Dem beurlaubten Geistlichen ist es ein Rätsel, warum der Erzbischof aktuell die Gültigkeit seiner Weihe nach vielen Jahren des priesterlichen Dienstes anzweifelt.
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Vielleicht hängt die plötzliche Abneigung gegenüber Ibarra damit zusammen, dass Corrales auf die gescheiterte Karriere seines Geistlichen als Folklore-Musiker hingewiesen wurde. 2009 und 2010 versuchte Ibarra unter dem Künstlernamen "Ángel Serrati" sein Glück als Sänger – ein Umstand, der dem ohnehin schon skurrilen Fall um Ibarras Priesterweihe einen weiteren bizarren Aspekt hinzufügt. Zu seinem Repertoire im Volksmusik-Stil Kolumbiens gehörten selbstgeschriebene Lieder, wie "Das Klatschmaul", "Frau Fabelhaft" oder "Ohne Dich ist alles nichts" – Titel, die selbst in lateinamerikanischen Ohren äußerst kitschig klingen. Nach einiger Zeit wandte sich "Serrati" der modernen religiösen Musik zu und sang Lieder, wie "Am Ende meines Lebens", im Stil ebenso schmalzig wie seine ersten Versuche. Als er auch damit keinen Erfolg hatte, erinnerte er sich wieder an die vor vielen Jahren gespendete Priesterweihe.
Für die Medien ist er der "falsche Priester"
Mitte Februar kehrte der "falsche Priester", wie Ibarra in spanischen Medien böse genannt wird, an seine frühere Wirkungsstätte Medina Sidonia zurück. Dort habe man ihn "sehr, sehr gut empfangen", freut sich Ibarra. Auch mehr als zwanzig Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsender waren vor Ort. Ibarra will für sein Priesteramt und die Anerkennung seiner Weihe kämpfen. Dafür hat er sich, wie auch das Erzbistum Santa Fe de Antioquia, an den Vatikan gewandt. Die Klerus- und die Glaubenskongregation sollen die strittige Frage klären – ein Prozedere, das nach Angaben Ibarras mehrere Jahre dauern kann. Doch er ist sich sicher, dass die zuständige Behörden zu seinen Gunsten entscheiden werden: "Ich fühle mich als Priester und in der Tat bin ich einer."
Da er sich als seinen Oberen gehorsamer Priester zeigen will, tritt Ibarra nun nicht mehr wie zuvor im Hemd mit Priesterkragen auf, sondern mit Jackett und aufgeknöpftem Shirt. Eine Ähnlichkeit mit dem "Ángel Serrati" auf den CD-Covern ist nicht zu übersehen. Vielleicht ist das kein Wunder, denn Ibarra steht derzeit mittellos da, und sucht eine neue Möglichkeit, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, bis er eventuell wieder als Priester arbeiten kann. Für eine Tätigkeit als Sänger hingegen ist keine gültige Priesterweihe notwendig. Das Interesse der Medien wäre Ibarra dieses Mal jedoch mehr als sicher.