Bischofskonferenz will Richtlinien verschärfen

Missbrauchskrise: Kommt die Lösung aus den USA?

Veröffentlicht am 27.02.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Washington ‐ Während die Weltöffentlichkeit schockiert auf das Urteil gegen den australischen Kardinal George Pell reagiert, suchen die Bischöfe in den USA einen Ausweg aus der Missbrauchskrise. Ihr Ansatz: neue Rechenschaftspflichten für die Oberhirten.

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Das Urteil gegen den australischen Kardinal George Pell steht symbolhaft für das globale Ausmaß der Missbrauchskrise in der katholischen Kirche. Nach der am Dienstag bekannt gewordenen Entscheidung eines Gerichts in Melbourne hat sich der einst zu den mächtigsten Männern im Vatikan zählende Geistliche des sexuellen Kindesmissbrauchs schuldig gemacht.

Während das Urteil weltweit für Erschütterung sorgt, herrscht in vielen Ländern zudem Unsicherheit, was mit den Ergebnissen des am Sonntag zu Ende gegangenen Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan anzufangen ist. Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Daniel DiNardo, kündigte an, die Bischöfe in den Vereinigten Staaten wollten ihre Richtlinien für den Umgang mit Missbrauchsvorwürfen verschärfen.

DiNardo: Kirche "noch nicht ganz" bei Null-Toleranz-Haltung

In einem Interview der Zeitschrift "Crux" sagte DiNardo, die Kirche bewege sich zwar auf eine Null-Toleranz-Haltung zu, sei aber "noch nicht ganz da." Bei der für Juni geplanten nächsten Versammlung der US-Bischöfe sollten nun neue Rechenschaftspflichten für die amerikanischen Hirten beschlossen werden.

Bild: ©dpa/epa ansa Giuseppe Giglia

Laut ihrem Vorsitzenden Kardinal Daniel DiNardo will die US-Bischofskonferenz ihre Richtlinien beim Umgang mit Missbrauchsvorwürfen verschärfen.

Wie diese aussehen könnten, deutete der Chicagoer Kardinal Blase Cupich an. Der Vertraute von Papst Franziskus legte bei der Vatikan-Konferenz einen Zwölf-Punkte-Plan vor. Demnach sollen die Metropolitan-Erzbischöfe in ihrer Kirchenprovinz dafür sorgen, dass Anzeigen gegen einen Bischof der Kirchenprovinz überprüft und gegebenenfalls Untersuchungen eingeleitet werden. Daran sollen auch qualifizierte Laien beteiligt werden. Kirchenprovinzen umfassen mehrere Bistümer einer Region.

Kardinal Sean O'Malley aus Boston, Leiter der päpstlichen Kinderschutzkommission, verwies zudem auf die 2002 verabschiedete "Charter for the Protection of Young People". Das als "Dallas Charter" bekannte Dokument regelt den Umgang der US-Diözesen mit beschuldigten Priestern. Diese Vorgaben hätten "einen gewaltigen Unterschied" ausgemacht, so der Kardinal.

Boston als Ausgangspunkt der Krise

Die globale kirchliche Missbrauchskrise hatte in Boston ihren Ausgang genommen. Dank einer Recherche des "Boston Globe", die der oscarprämierte Film "Spotlight" später aufnahm, gelangten Übergriffe auf Minderjährige und das Vertuschen von Straftaten durch die Kirchenhierarchie ins öffentliche Bewusstsein.

Die US-Bischöfe verhängten in Sachen Missbrauch eine "Null-Toleranz"-Politik gegenüber Priestern und Ordensleuten. Die klammerte allerdings das Problem jener Bischöfe aus, die beim Vertuschen von Straftaten geholfen oder selbst welche begangen hatten. Dieses Defizit wurde infolge des Grand-Jury-Missbrauchsberichts aus Pennsylvania und des Falls des Theodore McCarrick im vergangenen Jahr offenkundig.

Kardinal Theodore E. McCarrick, emeritierter Erzbischof von Washington.
Bild: ©Bob Roller/CNS photo/KNA

Der Fall Theodore McCarrick sorgte weltweit für Empörung: Er soll mehrere Priesteramtskandidaten zum Sex genötigt und mindestens zwei Minderjährige missbraucht haben. Der ehemalige Kardinal und Erzbischof von Washington ist inzwischen aus dem Klerikerstand entlassen worden.

Der ehemals einflussreiche Kardinal verlor vor dem Anti-Missbrauchstreffen in Rom auch seinen Status als Priester. Sein Nachfolger als Erzbischof von Washington, Kardinal Donald Wuerl, trat seinerseits zurück, nachdem klar wurde, dass er mehr wusste, als er zugab. Wohl auch deshalb spricht Kardinal O'Malley von Reformbedarf. Es müsse ganz dringend die Verantwortung der Bischöfe thematisiert werden.

Damit kommt er den Opfergruppen entgegen. Die sind unzufrieden mit dem Ausgang des jüngsten Treffens im Vatikan. Zwar hätten die kraftvollen Zeugnisse der Betroffenen in der vergangenen Woche "die Nadel in die richtige Richtung bewegt", erklärte Anne Barrett Doyle von der Opferorganisation "Bishop Accountability". Aber der Papst habe sie mit seiner Abschlussrede am Sonntag wieder zurückgestellt. Sie wirft dem Kirchenoberhaupt vor, mit Worten zu Problemen in der Säkulargesellschaft Dinge relativiert zu haben. Dies komme einer "katastrophal Fehleinschätzung der Trauer und Empörung der Gläubigen" gleich.

Deutlich wohlwollender schätzt indes Michael Sean Winters, Kolumnist des "National Catholic Reporter", die Ergebnisse des Vatikan-Gipfels ein: Allein dessen Zustandekommen sei mehr als außergewöhnlich gewesen. Winters hebt hervor, dass vor allem Kardinal Cupich an der Seite des Papstes den Finger in die Wunde gelegt habe, als er eine Veränderung der klerikalen Kultur verlangt habe. Dies sei bereits ein "großer Fortschritt", der von etlichen Kritikern nicht ausreichend gewürdigt werde.

Von Thomas Spang (KNA)