Wer schämt sich wessen (nicht)?
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Heute am Faschingsdienstag – oder wie der heutige Tag auch immer regional verschieden heißt – ist mir und wohl vielen anderen Katholikinnen und Katholiken nicht wirklich zum Scherzen und zum Lachen zumute. Es war wohl noch nie einfacher, sich für seine Kirche in diesen Tagen zu schämen: Zum Skandal des unfassbaren vielfachen Missbrauchs von Minderjährigen durch Kirchenmänner gesellt sich der Skandal des Missbrauchs an Ordensfrauen, der Machtmissbrauch an Schutzbefohlene und der sehr subtile geistliche Missbrauch.
Flankiert werden diese Skandale durch einen mancherorts skandalösen Umgang damit, der an einem echten Aufarbeitungswillen Zweifel aufkommen lässt. Ergänzt wird alles noch durch eine allzu reflexhafte Debatte, welche je nach kirchenpolitischem Gusto entweder die Homosexualität und den Zeitgeist oder die kirchliche Misogynie und den Zölibat für die oben geschilderte Misere verantwortlich machen. Wird durch die Politisierung des Missbrauchsskandals nicht der eigentliche Skandal wieder relativiert? Zum Schämen, oder?
Können wir nicht wenigstens in der österlichen Bußzeit als Kirche für ein paar Wochen mal mehr zuhören als reden? Den viel zu lange mundtot Gemachten endlich eine Stimme geben und auf sie hören? Wenn wir uns bis Ostern alle reflexhaften Debatten und Lösungsrezepte versagen würden und 40 Tage lang ernsthaft nur zuhören würden? Wie wäre es denn, wenn dieses Jahr die Fastenhirtenbriefe der Bischöfe von einem Missbrauchsopfer verfasst würden? Wenn wir die Kanzeln für Missbrauchte räumen würden, dass sie ihre Stimme in der Kirche, und zwar in der Liturgie erheben dürften? Wenn die Kirchengemeinden und geistlichen Gemeinschaften sich in dieser Fastenzeit bewusst dem Thema Missbrauch in all seinen Maskeraden und Schattierungen stellen würden und den Schmerz und die Scham darüber vor Gott bringen würden?
Und dann steht da noch dieser Satz in der Bibel: "Er schämt sich nicht, sie Brüder zu nennen." (Hebr 2,11)