Overbeck: Brexit "traurige Spitze" der Vertrauenskrise in der EU
Der Vizepräsident der EU-Bischofskommission (COMECE), Franz-Josef Overbeck, sieht eine Vertrauenskrise in der EU. "Das europäische Projekt scheint an Schwung verloren zu haben, seit die gefühlte Gefahr von Krieg und Zerstörung in immer weitere Ferne rückt", sagte Overbeck laut Redemanuskript am Donnerstagabend in Brüssel bei einer Diskussion in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens. Eine "traurige Spitze" aller Vertrauenskrisen zeige sich darin, dass mit dem Brexit erstmals in der Geschichte der europäischen Integration ein Land die Union verlassen wolle, so Overbeck.
Viele Deutsche trauten derzeit keiner Partei zu, für soziale Gerechtigkeit in Europa zu sorgen, so Overbeck. "Die Welt ist zunehmend komplexer und eine Rückkehr zu ehemals Vertrautem ist faktisch ausgeschlossen." Die einzige Möglichkeit, die bleibe, sei ein "Sich-vertraut-machen" mit Veränderungen. Wie der Glaube sei Demokratie etwas, das jede Generation neu und auf ihre eigene Weise leben und gestalten müsse.
Es brauche neue Gesichter der Integration
Angesichts erwarteter Stimmengewinne von Populisten und Nationalisten gelte es bei der Europawahl am 26. Mai, "der 'Fratze' des Populismus 'Gesichter' entgegenzustellen", so Overbeck. "Die Gesichter der Integration sind Konrad Adenauer und Robert Schuman, Helmut Kohl und Francois Mitterrand, aber weniger Angela Merkel und Emmanuel Macron", so der Bischof.
Er forderte, dem Populismus "argumentativ" entgegenzutreten und nicht durch die Konstruktion von Feindbildern. Andernfalls werde viel "Vertrauen in das zerstört, was Europa ist und was es will". Die katholische Kirche in Deutschland und Europa verfolge nationalistische und populistische Tendenzen mit Sorge und wolle Verantwortung übernehmen. Die Werte und Prinzipien der EU seien ein Schlüssel zur Wiedergewinnung von Vertrauen und zur Überwindung von ökonomischen und politischen Krisen, so Overbeck.
Der Essener Bischof, Franz-Josef Overbeck, ist seit März 2018 einer der Vize-Präsidenten der EU-Bischofskommission COMECE. Das 1980 gegründete Gremium bündelt die Interessen der Bischofskonferenzen aller EU-Staaten. Jede nationale Bischofskonferenz entsendet dazu ein Mitglied. Aktueller Präsident ist der Luxemburger Bischof Jean-Claude Hollerich. Angesichts des Brexits hatten sich die Bischöfe vergangene Woche für einen vorläufigen Verbleib der Bischöfe des Vereinigten Königreichs in der COMECE entschieden. (cst/KNA)