Theologin: Ratzinger vertrat vormoderne Theologie und Kirchenstruktur
Die evangelische Theologin Ellen Ueberschär sieht die katholische Kirche durch den Missbrauchskandal grundlegend infrage gestellt. "Diesmal geht es nicht um Änderungen am System, sondern um das System selbst", schreibt die frühere Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags in einem Gastbeitrag für die Zeitschrift "Herder Korrespondenz".
Die "Abwesenheit jeder Gewaltenteilung" in katholischen Hierarchien biete "uneingeschränkte" Möglichkeiten des Machtmissbrauchs, so Ueberschär. "Die absolute Monarchie ist keine geeignete Organisationsform für eine Kirche, die im Namen Jesu Christi für die Menschen da sein will."
Höchste Zeit, "den Vatikan zu demokratisieren"
Ueberschär wirft Joseph Ratzinger vor, als Leiter der Glaubenskongregation wie als Papst Benedikt XVI. eine "vormoderne, triumphalistische Theologie und hierarchische Kirchenstruktur" vertreten und befördert zu haben. Diese Strukturen erwiesen sich nun als "reformunfähig, inhuman und antiaufklärerisch".
Die Theologin betont, es sei höchste Zeit, "den Vatikan zu demokratisieren". Dazu gehörten echte Gewaltenteilung und Mitbestimmung von Nicht-Klerikern. Eine so "erneuerte" römisch-katholische Kirche solle dann auch in den Ökumenischen Rat der Kirchen aufgenommen werden, so Ueberschär: "Mit einem Reform-Papst an der Spitze sollte da etwas gehen."
Ellen Ueberschär (* 1967) war von 2006 bis 2017 Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Fulda. 2013 kandidierte sie als Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland als Nachfolgerin von Nikolaus Schneider, gewählt wurde jedoch Manfred Rekowski. 2016 wurde sie in den Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung gewählt, dem sie seit Juli 2017 angehört. (tmg/KNA)