Pariser Obdachlose kritisieren Milliardäre für Großspenden
In Sichtweite der ausgebrannten Pariser Kathedrale Notre-Dame haben Obdachlose und Aktivisten gegen die Großspenden französischer Milliardäre protestiert. "Notre-Dame braucht ein Dach. Wir auch", skandierten etwa 50 Mitglieder einer Initiative für sozialen Wohnungsbau am Montag, wie das US-amerikanische Nachrichtenportal Crux berichtet.
"Wir sind hier, um die Angeberei der Milliardäre, die den Wiederaufbau von Notre-Dame finanzieren wollen, anzuprangern", erklärte Jean-Baptiste Eyraut, der Sprecher der Organisation "Droit Au Logement" (Recht auf Unterkunft). Denn während in nur 24 Stunden eine Milliarde Euro für Notre-Dame zusammengekommen seien, vernachlässigten die Reichen die Probleme der Obdachlosen in Paris.
Im Anschluss an die Ostermesse in der Kirche Saint-Eustache forderte auch der Erzbischof von Paris, Michel Aupetit, dass die Verantwortlichen die Kathedrale nicht nur wieder aufbauen, sondern die ganze Seine-Insel, auf der Notre-Dame liegt, zu einem "Platz für die Armen" machen sollten. Weiter sagte er: "Die Armen und Obdachlosen sind hier in Notre-Dame zuhause. Sie können immer herkommen und sich in einer Kirche aufwärmen. Und sie wissen, dass sie nicht hinausgeworfen werden."
Die Flammen der Gleichgültigkeit
Anders als in Deutschland befinden sich die Gotteshäuser Frankreichs nicht im Besitz der Kirche. Sie werden als Nationale Monumente vom französischen Staat verwaltet. In einem offenen Brief, den der französische Radiosender Franceinfo am Montag veröffentlichte, erklärten Kunsthistoriker und Restauratoren einen "Notstand des Kulturerbes". Seit Jahren würden die staatlichen Behörden den Erhalt des nationalen Erbes vernachlässigen, zu dem auch die Kirchen und Kathedralen zählten. "Es brauchte eine Katastrophe mit globaler Reichweite, bis unsere gewählten Vertreter die Dringlichkeit des Problems erkannten." Und auch jetzt gelte die Aufmerksamkeit vor allem den Prestigeobjekten wie Notre-Dame in Paris. Dabei gebe es in jedem Dorf in Frankreich eine "Notre-Dame", die manchmal in den Flammen der Gleichgültigkeit verbrenne.
Am 15. April war ein Feuer im Dach des Chores der gotischen Kathedrale entdeckt worden. Rasch griffen die Flammen auf den gesamten Dachstuhl aus jahrhundertealten Holzbalken über. Über 400 Feuerwehrleute brachten den Brand nach Stunden unter Kontrolle. Sie verhinderten, dass die Flammen auch auf die beiden Westtürme übergriffen und das Gotteshaus einstürzte. Kurz nach Ende der Löscharbeiten hatten bereits mehrere Unternehmer und Millardäre Spenden für den Wiederaufbau zugesagt. Binnen 24 Stunden kamen so Gelder in Höhe von einer Milliarde Euro zusammen. Die Kathedrale wird zunächst ein Notdach bekommen, um das Innere vor Regen und Unwettern zu schützen. (cst)