Wolfgang Zehetner ist Vorsitzender der europäischen Dombaumeister

Experte: Darum wird der Wiederaufbau von Notre-Dame Jahrzehnte dauern

Veröffentlicht am 24.04.2019 um 09:45 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Frankreichs Präsident Macron will die Pariser Kathedrale Notre-Dame binnen fünf Jahren wieder aufbauen. Warum es jedoch mutmaßlich Jahrzehnte dauern wird, erklärt der Wiener Dombaumeister Wolgang Zehetner.

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Der Dombaumeister am Wiener Stephansdom und Vorsitzende der Europäischen Vereinigung der Dombaumeister, Wolfgang Zehetner, rechnet mit einem aufwendigen Wiederaufbau der Pariser Kathedrale Notre-Dame. Die Ankündigung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Kirche werde nach dem Brand der vergangenen Woche in fünf Jahren wieder aufgebaut sein, halte er für "sehr ambitioniert", sagte Zehetner am Dienstag bei Spiegel Online. Es werde "eher Jahrzehnte brauchen", alle entstandenen Schäden zu beheben.

Wenn der Wiederaufbau originalgetreu erfolgen solle, müssten "auch die feingliedrigen Teile der Kirche wieder aus Steinblöcken gehauen werden - und zwar von Handwerkern", so der Experte. Computer könnten zwar beim Fräsen helfen, "aber die Fertigstellung bleibt beim Handwerker. Das macht ja auch einen Reiz bei originalgotischen Bauwerken wie Notre-Dame aus: dass in jedem Detail auch ein bisschen die Handschrift des Künstlers drinsteckt."

Nur wenige verfügen über notwendige Fähigkeiten

In ganz Europa gebe es "vielleicht einige hundert" Menschen, die über die nötigen Fähigkeiten verfügten, sagte der Dombaumeister. Er fügte hinzu, er würde sich wünschen, "dieses Monument der gotischen Architektur, eine Ikone, möglichst originalgetreu wiederherzustellen - statt dort einen Plastik-Wasserspeier aus dem 3D-Drucker hinzusetzen".

Das Stahldach, das nach einem Brand 1945 das hölzerne Dach des Stephansdoms ersetzt hatte, könnte nach Einschätzung Zehetners ein Vorbild für Notre-Dame sein. "Das ist zumindest technisch eine sehr gute Lösung - und nicht so aufwendig wie die originalgetreue Variante." Baumstämme von der nötigen Qualität "wird man in Mitteleuropa kaum auftreiben können. Man könnte stattdessen natürlich Tropen- oder Teakholz nehmen". Damit würde man sich indes vom Originalgetreuen verabschieden.

Am 15. April war ein Feuer im Dach des Chores der gotischen Kathedrale entdeckt worden. Rasch griffen die Flammen auf den gesamten Dachstuhl aus jahrhundertealten Holzbalken über. Über 400 Feuerwehrleute brachten den Brand nach Stunden unter Kontrolle. Sie verhinderten, dass die Flammen auch auf die beiden Westtürme übergriffen und das Gotteshaus einstürzte. Kurz nach Ende der Löscharbeiten hatten bereits mehrere Unternehmer und Milliardäre Spenden für den Wiederaufbau zugesagt. Binnen 24 Stunden kamen so Gelder in Höhe von einer Milliarde Euro zusammen. Die Kathedrale wird zunächst ein Notdach bekommen, um das Innere vor Regen und Unwettern zu schützen. (tmg/KNA)