Vor 500 Jahren starb der berühmte Maler, Ingenieur und Anatom

Leonardo da Vinci: Das rätselhafte Universalgenie

Veröffentlicht am 02.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Leonardo da Vinci gilt als einer der genialsten Menschen aller Zeiten. Neue Biografien porträtieren den Maler bekannter religiöser Gemälde zum 500. Todestag - und zeigen, welche Gegensätze da Vinci in seinem Leben aushalten musste.

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Universalgenie, Wunderkind, Inbegriff des Renaissance-Menschen: Leonardo da Vinci (1452-1519) zieht alle Bewunderung auf sich. Zum 500. Todestag am 2. Mai überschlagen sich Museen, Bildungshäuser und Buchautoren. Toskana, Mailand und die Loire-Schlösser bieten Reisen zu seinen Lebensstationen. Der Vatikan zeigt da Vincis "Der Heilige Hieronymus". Frankreich und Italien streiten, wer das Vorrecht hat, sich mit Leonardo zu schmücken.

Geehrt wird ein Meister auf vielen Gebieten: Malerei, Skulptur, Architektur, Anatomie, Ingenieurskunst, Kartografie, Geologie und Botanik. Auch Wissenschaftseinrichtungen ehren das Allround-Genie, das vor einem halben Jahrtausend im französischen Schloss Clos an der Loire starb.

Vegetarier, Homosexueller, Linkshänder

Über Generationen nahezu vergessen, ist Leonardo seit dem 20. Jahrhundert zu einer Identifikationsfigur für das wissenschaftliche Zeitalter geworden. Alles, was der Mann aus der Toskana angefasst hat, scheint zu Gold zu werden. 2017 wurde das ihm zugeschrieben Gemälde "Salvator Mundi" für knapp 400 Millionen Euro von der Regierung Abu Dhabis ersteigert. 1994 erstand Bill Gates den Codex Leicester, eine Sammlung wissenschaftlicher Abhandlungen Leonardos, für 27,1 Millionen Euro.

Vegetarier, Homosexueller, Linkshänder: Der Maler der Mona Lisa hinterließ neben seinen Meisterwerken "eine Spur unvollendeter und gescheiterter Projekte", wie der US-Journalist und Präsident des Aspen-Instituts, Walter Isaacson, schreibt. Leonardo war "verschroben, besessen, verspielt und leicht abzulenken". Seine Auftraggeber konnten sich auf ihn keinesfalls verlassen.

Das weltberühmte Gemälde des letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci.
Bild: ©castrovilli/Fotolia.com

Das weltberühmte Gemälde des letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci kann im Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie in Mailand bestaunt werden.

Isaacson ist sich sicher, dass Leonardo durch seine uneheliche Geburt und fehlende Bildung keine Nachteile erlitten hat. Das sieht der im schweizerischen Fribourg lehrenden Historiker Volker Reinhardt völlig anders: Der am 15. April 1452 in Vinci nahe Florenz geborene Leonardo litt nach seiner Darstellung ein Leben lang unter Minderwertigkeitskomplexen. Seine Homosexualität trug ihm ebenfalls Spott und Empörung ein. Diese Außenseiterrolle sei geradezu der Antrieb für Leonardos Schaffen, schreibt Reinhardt. Seine Malerei, Zeichnungen und Schriften seien "wütende Gegenentwürfe" zu den Demütigungen gewesen.

Für den Historiker steht auch fest, dass der Maler des weltberühmten "Abendmahls" im Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie in Mailand Atheist war. Das Wandgemälde und andere Werke Leonardos verabschiedeten sich von der üblichen religiösen Maltradition, schreibt er.

Fest steht, dass Leonardo von einer unbändigen Neugier angetrieben wurde. Seine Notizbücher enthalten auf mehr als 7.200 Seiten geniale Zeichnungen zu Muscheln, Fischen, Pflanzen und den Wirbeln eines Bachlaufs - aber auch menschliche Körperteile, Fluggeräte, Panzer oder Katapulte. Zeichnen war für ihn Philosophie und Erkenntnis der Natur. "Seine Mission war es, sehend, zeichnend und malend zum Auge der Welt zu werden."

Leonardo da Vinci: ein widersprüchlicher Mensch

Auch der Zürcher Renaissance-Experte Bernd Roeck porträtiert einen extrem widersprüchlichen Menschen. Einen Maler, der vor allem biblische Szenen und Bilder von Heiligen schuf - dessen Religiosität jedoch quer zu kirchlichen Lehren stand. "Den Himmel wollte er nicht durch Gebete gewinnen, sondern mit Hilfe eines Flugapparats", schreibt er. Gott ersetzte er durch die Natur oder einen "ersten Beweger". Der Vegetarier diente mörderischen Herren wie Ludovico Sforza oder Cesare Borgia. Der Humanist, der den Krieg einen "völlig bestialischen Wahnsinn" nannte, zeichnete Waffen, die von teuflischer Fantasie zeugen.

Roeck zeigt ein weiteres Paradoxon: Leonardos Weltruhm scheint im Widerspruch zu dem zu stehen, was von ihm überliefert ist - tausende Zeichnungen zwar, die zu den schönsten der Kunst zählen, aber kaum mehr als ein Dutzend als eigenhändig anerkannter Bilder. Keine seiner Erkenntnisse und Erfindungen zeitigte unmittelbare Folgen. Sein Geld verdiente er vor allem dadurch, dass er adelige Feste ausstattete, Kanalpläne zeichnete und Festungen entwarf.

Leonardo, so Roeck, war oft unfähig, die Fülle seiner Einsichten zu strukturieren. Er wollte alles wissen und verzweifelte an dem Durcheinander, das er angerichtet hatte.

Von Christoph Arens (KNA)