Mitten im Lärm des Alltags Gottes Melodie hören
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Impuls von Schwester Christine Klimann
Da sitzen zwei Engel. Der eine ist lichtvoll, in hellen Gewändern, er spielt auf der Geige. Der andere, im Schatten, in dunkle Gewänder gekleidet, hält ein Cello in der Hand. Über den beiden ein Bild des heiligen Ignatius. Diese etwas eigenwillige Darstellung der "Unterscheidung der Geister" findet sich in Rom, im Vorraum zu den "camerette" also den Räumen, in denen Ignatius von Loyola seine letzten Lebensjahre verbracht hat und dann auch gestorben ist.
"Meine Schafe hören auf meine Stimme", heißt es im heutigen Evangelium. In der Beschäftigung der Frage, wie diese Aussage Jesu zu verstehen sein könnte, ist mir das Bild von den musizierenden Engeln in den Sinn gekommen. Unterscheidung der Geister, dieses wichtige Grundprinzip der ignatianischen Spiritualität, hat einen manchmal etwas technischen Unterton, so als ob es auf die richtige Technik oder Methode ankäme, um die Stimme des Geistes Gottes korrekt von den Stimmen der anderen "Geister" unterscheiden zu können. Die musizierenden Engel bringen eine andere Dimension ins Spiel. Musik, ebenso wie Licht und Farbe, spricht nicht zuerst den Intellekt an, sondern die emotionale Ebene. Musik lädt ein zum Tanzen oder aber lässt Tränen in die Augen steigen. Musik kann so heiter stimmen wie ein heller Frühlingstag oder so trübe wie ein nebelverhangener Novemberabend.
Nur wenige Verse vor unserer Stelle im Johannesevangelium hat Jesus gesagt, dass er gekommen ist, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben. Leben in Fülle in Musik übersetzt – das ist sicher eine, die die Kraft hat, düstere Melancholie zu durchbrechen; aber wahrscheinlich hat sie für jeden Menschen einen etwas anderen, einen ganz persönlichen Klang. Einen Klang, der zu dem passt und der das in einem Menschen weckt, was zutiefst in ihm angelegt ist. Einen Klang, der ihn lockt, zieht und ruft, selbst Teil dieser Musik Gottes zu werden.
"Die Schafe hören auf meine Stimme, ich kenne sie und sie folgen mir." Damit ist genau nicht gemeint, dass da einer einen Befehl gibt und die anderen hinterherrennen. Die Schafe hören auf die Stimme, weil es da eine innere Übereinstimmung gibt zwischen dem Klang der Stimme und der Sehnsucht der Schafe. Nichts ist natürlicher, als dieser Stimme zu folgen.
Im wirklichen Leben ist es nicht ganz so einfach. So viele Stimmen, so viele Angebote, Forderungen, Möglichkeiten, Notwendigkeiten, Einladungen, Drohungen dringen auf uns ein, dass es tatsächlich eine Kunst ist, aus all den Stimmen diejenige herauszuhören, die zum Leben führt. Kunst hat aber manchmal etwas Spielerisches – so spielerisch wie ein lichtvoller Engel, der eine Melodie spielt, die ich irgendwie schon kenne.
Evangelium nach Johannes (Joh 10,27-30)
Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben.
Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen.
Ich und der Vater sind eins.