Finanzen: Was die Kirche von Aktiengesellschaften lernen kann
Der Münchner Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Reiner Klinz (54) berät deutsche Diözesen in der Finanz- und Vermögensverwaltung. Soeben erschien das von ihm mitherausgegebene Buch "Rechnungslegung in katholischen Bistümern". Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert der Direktor der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, welche Fortschritte die katholische Kirche im Bemühen um mehr Transparenz gemacht hat – und wo es noch etwas zu tun gibt. Laut Klinz gehören viele der 27 Bistümer zu den Mandanten der KPMG.
Frage: Herr Klinz, Sie haben mit Konstanzer BWL-Studierenden und Mitarbeitern Ihrer Firma die Rechnungslegung in den deutschen Bistümern untersucht. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse?
Reiner Klinz: Wir konnten in den letzten fünf Jahren enorme Fortschritte feststellen. Die Buchhaltungen sind auf Doppik umgestellt worden, Inventuren wurden durchgeführt, die Rechnungslegungsstandards verändert. Jahresabschlüsse wurden aufgestellt, geprüft und veröffentlicht. Im Vergleich dazu braucht die öffentliche Hand, etwa die Kommunen, sehr viel länger bei der Umstellung ihrer Buchhaltung. Sehr viele Bistümer sind auch gleich den richtigen Schritt gegangen und wenden nun die Regeln des Handelsgesetzbuches (HGB) für Kapitalgesellschaften an.
Frage: Ist das der einzige Weg?
Klinz: Aktuell ist das Feld dreigeteilt: Zwölf Bistümer halten sich an diesen Standard, sieben nutzen die HGB-Regeln für Kaufleute. Die übrigen acht sind mehr oder weniger weit von diesen beiden Varianten entfernt. Wir empfehlen die HGB-Regeln, weil diese von fast allen Unternehmen in Deutschland genutzt werden. Wir empfehlen die HGB-Regeln für Kapitalgesellschaften, weil diese den öffentlichen Körperschaften, zu denen auch die Bistümer zählen, ähnlich sind. Übrigens müssen auch viele öffentliche Körperschaften wie Eigen- und Zweckbetriebe diese Regeln nach Landes- und Kommunalrecht anwenden.
Frage: Um die Finanzbeziehungen zwischen armen und reichen Bistümern korrekter zu regeln, bräuchte es außer Transparenz auch eine bessere Vergleichbarkeit. Wie viel Einheitlichkeit in der Buchführung muss es geben, damit nicht ständig Äpfel mit Birnen verglichen werden?
Klinz: Die Vergleichbarkeit wird von einigen Faktoren beeinflusst, unter anderem dem Rechnungslegungsstandard, den Bilanzierungsmethoden, der Offenlegung. Vergleichbarkeit wird dann erzeugt, wenn diese Regeln in den Bistümern gleich angewandt werden.
Frage: Auch die strengsten HGB-Regeln lassen Spielräume zu, etwa bei der Angabe der Höhe von Pensionsverpflichtungen. Vermögensgegenstände werden mit unterschiedlichen Verfahren erfasst, bei Kunstgütern ist die Vorgehensweise extrem unterschiedlich. Sollten sich die Bistümer auch hier auf gemeinsame Maßstäbe verständigen?
Klinz: Das wäre selbstverständlich hilfreich. Dabei ist auch die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Bei Kunst machen ein bis zwei Prozent von zumeist mehreren tausend Gegenständen 98 bis 99 Prozent des Gesamtwertes der Kunstgüter aus. Unter Zeitdruck sollte man sich auf die wertvollen Werke konzentrieren. Viel mehr Gewicht haben Immobilien, die schon mal 20 bis 30 Prozent der Bilanzsumme ausmachen. Da ist es schon ein Unterschied, ob das Gebäude mit einem Euro angesetzt wird, weil es sehr alt ist, oder ob es mit einem hohen Ertragswert für die erwartete zehnjährige Nutzung in den Jahresabschluss kommt.
Frage: Im Buch plädieren Sie für eine Art Konzernabschluss aller Rechtsträger, die einem Bistum zuzuordnen sind. Wieso?
Klinz: Mit dem Begriff haben Bistümer ein gewisses Problem, weil sie ja kein Konzern sind und dementsprechend auch keiner Verpflichtung zu einem solchen Abschluss unterliegen. Wir sprechen vorzugsweise von einem Gesamtabschluss. Damit ließe sich die Vergleichbarkeit deutlich verbessern, weil die Rechtsträger Diözese, Bischöflicher Stuhl, Domkapitel, Emeritenanstalt und Priesterseminar in den Bistümern jeweils sehr unterschiedlich zugeschnitten sind.
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Wie lassen sich Finanzskandale und schlechtes Wirtschaften in der Kirche verhindern? Noch immer suchen deutsche Bistümer nach einem guten Weg. Das Bistum Rottenburg-Stuttgart hat bereits ein Modell.Frage: Nämlich?
Klinz: Die einen haben den Großteil ihrer Grundstücke im Bistumsabschluss enthalten, bei anderen gehören sie dem Bischöflichen Stuhl. Pensionsverpflichtungen sind in einzelnen bayerischen Diözesen in Emeritenanstalten angesiedelt, woanders gibt es diesen Rechtsträger gar nicht. Einzelne Körperschaften miteinander zu vergleichen, wenn große Vermögens- und Schuldenposten so verschieden verteilt sind, hat wenig Aussagekraft. Dies könnte mit einem Gesamtabschluss vermieden werden.
Frage: In der freien Wirtschaft wird schon lange über Good Governance diskutiert. Welche Regeln guter Unternehmensführung sollte sich auch die Kirche zu eigen machen?
Klinz: Die Frage, wie Führung und Aufsicht zusammenarbeiten, ist ganz entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Kirche. Übt die Aufsicht wirklich effektiv Kontrolle aus oder wird nur abgenickt? Das interessiert die Öffentlichkeit. Jedes Kirchenmitglied kennt das auch aus seinem Sportclub. Die Kirche sollte diese Erwartung auf keinen Fall unterschätzen und genauso wichtig nehmen wie die Finanztransparenz.
Frage: Reicht da nicht das Kirchenrecht?
Klinz: Das sind weltweit gültige allgemeine Vorschriften, die natürlich beachtet werden müssen. Aber es gibt darüber hinaus durchaus Regelungsbedarf.
Frage: Nennen Sie ein Beispiel.
Klinz: Nach den Grundsätzen der Good Governance müssen Führung und Aufsicht einer Organisation strikt getrennt sein. Im Kirchenrecht ist der Bischof mit beidem beauftragt. Er führt das Bistum, ist aber auch Mitglied in Gremien wie dem Diözesansteuerausschuss, wie es ihn in Bayern gibt. In Aktiengesellschaften ist es gesetzlich ausgeschlossen, dass ein Vorstand auch im Aufsichtsrat sitzt.
Frage: Wie lässt sich das Problem lösen?
Klinz: Zum Beispiel, indem der Bischof freiwillig auf sein Stimmrecht im Aufsichtsgremium verzichtet. Es steht ihm frei, sich bei Abstimmungen für befangen zu erklären, weil er in der Führung des Bistums an den Entscheidungen mitgewirkt hat.
Frage: Laut Kirchenrecht ernennt der Bischof auch die Mitglieder der Aufsichtsgremien. Dadurch können Abhängigkeiten entstehen.
Klinz: Ja. Auch das ist bei Aktiengesellschaften vom Gesetz ausgeschlossen. Die Mitglieder eines Vermögensverwaltungsrates sollten mehrheitlich von den Kirchenmitgliedern gewählt werden. Dafür müssen kompetente und unabhängige Spezialisten gewonnen werden.