Bode über "Maria 2.0": Boykott der Eucharistie kann kein Instrument sein
Mit Verständnis, aber auch mit Kritik hat der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode auf die Frauenprotestaktion "Maria 2.0" reagiert. Im Interview warnt er vor Spaltungen in der katholischen Kirche. Bode ist Vorsitzender der Unterkommission "Frauen in Kirche und Gesellschaft" der Deutschen Bischofskonferenz.
Frage: Herr Bischof, eine Woche lang hat die Aktion "Maria 2.0" in vielen Gemeinden und in den Medien für Wirbel gesorgt. Haben Art und Umfang der jüngsten Frauen-Proteste Sie überrascht? Wie bewerten Sie den Aufruf zum Gottesdienst-Boykott und zum Boykott der Eucharistie?
Bode: Ja, die rasche Ausbreitung in landesweit hunderte Gemeinden hat mich überrascht. Andererseits kommt diese Aktion für mich nicht unerwartet, denn die Ungeduld der Frauen ist groß, wenn es um echte Partizipation an den Diensten und Ämtern der Kirche geht. In den 28 Jahren meines bischöflichen Dienstes erlebe ich durchgehend die Auseinandersetzung darum. Nun soll ein Zeichen gesetzt werden, welche Lücken es in der Kirche gibt, wenn Frauen fehlen. Ob der zugeklebte Mund der Gottesmutter das gut verdeutlicht, wage ich zu bezweifeln, und dem Boykott der Eucharistiefeier - sogar mit einer eigenen Mahlfeier vor der Kirche - kann ich gar nicht folgen. Die Eucharistie kann kein Instrument eines solchen Protests sein. Man könnte auf andere Weise deutlich machen, dass das Fehlen der Frauen auch die Eucharistiefeier hart träfe. Aber gerade wegen dieser Aktionsform müssen wir die Herausforderung durch die Frauen, die ja zumeist aus der Mitte unserer Gemeinden kommen, sehr ernst nehmen.
Frage: In der "Unterkommission Frauen" der Bischofskonferenz haben Sie in diesen Tagen auch über "Maria 2.0" gesprochen. Wer sitzt eigentlich in dieser Kommission und was kann sie bewegen?
Bode: Die "Unterkommission" Frauen in Kirche und Gesellschaft gehört zur Pastoralkommission seit fast 30 Jahren. Es sind drei Bischöfe, ein Priester und acht Frauen aus verschiedenen Bereichen von Kirche und Gesellschaft, die alle Belange der Frauen einbringen in oft sehr intensive und nachdenkliche Gespräche. Ebenso laden wir verschiedentlich Frauengruppen ein, um deren spezifische Anliegen aufzugreifen: Pfarrsekretärinnen, Haushälterinnen, Frauen in akademischen Berufen, lesbische Frauen, Frauen in Armutsrisiko, eben die ganze Bandbreite des Lebens. Wir befassen uns mit den Genderfragen, was unter anderem zu einer positiven Fachtagung mit Bischöfen geführt hat. Und immer wieder geht es um Frauen in Leitungsämtern und um einen sakramentalen Diakonat der Frau. Der Studientag der Bischofskonferenz im Jahr 2013 wurde von dieser Kommission vorbereitet und führte zu der Selbstverpflichtung, dass mindestens 30 Prozent der Leitungsämter in den Diözesen mit Frauen besetzt werden müssen. Eine solche Selbstverpflichtung gibt es wohl in keiner anderen Bischofskonferenz der Welt.
Frage: Gibt der Frauen-Protest dem synodalen Prozess für systemische Veränderungen in der Kirche zusätzlichen Schub - oder gefährdet er ihn, bevor er überhaupt angefangen hat?
Bode: Er gibt dem synodalen Weg intensive Themen auf, die sehr ernst zu nehmen sind. Denn die Befassung mit Partizipation, Gewaltenteilung, Klerikalismus und auch mit der konkreten Aufarbeitung des Missbrauchsskandals hängt wesentlich vom Miteinander von Männern und Frauen ab, weil die Kompetenz, die Frauen und Mütter in diese Debatten einbringen, unersetzlich ist. Das erlebe ich in meinem Bistum seit langem. Der Boykott der Eucharistie allerdings gefährdet die differenzierte, sachliche Auseinandersetzung.
Frage: Warum dauern Veränderungen in der Kirche so lange? Braucht es am Ende gar ein Konzil, um über die Forderungen der Frauen und Reformgruppen zu entscheiden?
Bode: Die Kirche lebt aus einer 2.000-jährigen Tradition, in der das Evangelium sich durch die Geschichte und die verschiedenen Kulturen seinen Weg gebahnt hat. Diese Geschichte kann nicht einfach übersprungen werden. Dazu ist die Kirche heute Weltkirche wie nie zuvor medial eng verbunden zu einem großen Dorf, aber in unterschiedlichen kulturellen Prägungen und gesellschaftlichen und kirchlichen Kontexten. In einer solchen Weltgemeinschaft grundlegende Fragen der Identität des Glaubens zu stellen, weiterzuentwickeln und daraus zu handeln, erfordert eine hochentwickelte Dialogkultur. Das Apostelkonzil der Urkirche ist immer noch das Modell solcher Weiterentwicklung und Inkulturation des Glaubens. Aber die Dimensionen von Synodalität und Konzilsbildung sind heute enorm andere. Ja, die systemischen Fragen, die zurzeit anstehen und synodal behandelt werden sollen, brauchen auch einen intensiven Dialog mit der Kirche in Rom und der universalen Kirche. Ich kann mir das heute allerdings fast nur noch über regionale Synoden oder Konzilien vorstellen, orientiert an Kultur- und Gesellschaftsräumen, ähnlich der bevorstehenden Synode für Amazonien oder den früheren für Europa oder Amerika. Einen deutschen Sonderweg kann es nicht geben, wohl aber eine Kultur des Dialogs und des differenzierten Handelns, für die wir in Deutschland die Ressourcen und die Fähigkeiten haben.
Frage: Der Papst hat unlängst vor Ordensfrauen gescherzt, wer eine andere Kirche als die katholische gründen wolle, könne das gerne machen. Gefährden die Reformforderungen der Frauen die Einheit der Kirche?
Bode: Natürlich ist die Einheit der Kirche eine der größten Sorgen des Papstes und auch von uns Bischöfen. Es drohen tatsächlich Spaltungen, wenn wir nicht in einen intensiven dogmatischen und pastoralen Dialog eintreten, allerdings nicht nur unter den Bischöfen, sondern mit vielen aus dem Volk Gottes. Es geht ja nicht um eine Spaltung der Bischofskonferenz,sondern um die Spaltung im Volk Gottes, dessen Sehnsucht nach neuen Wegen unüberhörbar ist. Das ist nicht nur Medienmache, wie immer wieder mal behauptet wird. Es wird zu Spaltungen kommen, wenn fundierte Reformforderungen nicht ernst genommen werden und wir in den Veränderungen der Welt nicht auch zu neuen Antworten kommen.
Frage: Was will die Bischofskonferenz angesichts der Forderung nach gleichberechtigtem Ämterzugang kurz- und mittelfristig tun?
Bode: Diese Forderung gehört in die Behandlung der systemischen Fragen des Synodalen Wegs. Besonders wo es um ekklesiologische, ämtertheologische und strukturelle Belange der Kirche geht. Bis zum Auftakt unseres Weges im September wird sich zeigen, wie wir solche Forderungen am effektivsten ins Gespräch bringen können. Auf jeden Fall wird die Frauenkommission die Fragen um Frauen in Leitungsämtern und um die sakramentale Abbildung dessen, was Frauen in Kirche diakonisch tun, weiter verfolgen. Ich gehe davon aus, dass die Tür bezüglich des Diakonats nach den Äußerungen des Papstes noch offen ist. Aber auch die anderen Fragen um den Zugang zu allen kirchlichen Ämtern werden nicht verstummen und uns dogmatisch weiter herausfordern.