Beten baut Brücken
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Impuls von Christoph Kreitmeir
Als Krankenhausseelsorger darf ich immer wieder Sterbenden in ihrem letzten Ringen beistehen. Die Aussage "Jeder stirbt anders" kann ich wirklich bestätigen. Es gibt ein schweres Sterben, es gibt aber manchmal auch die Erfahrung eines glückvollen Loslassens oder, wie ich viel lieber sage, eines Freigebens.
So durfte ich vor kurzem das Sterben einer 92-jährigen Mutter, Oma und Uroma erleben, die von ihren Lieben umgeben war. Der Pfarrer, also ich, wurde bewusst zur "letzten Ölung", zur Krankensalbung gerufen. Das Zimmer war gefüllt von Kindern, Enkeln und Urenkeln, der Raum war erfüllt von verschiedensten Gefühlen und Stimmungen: Traurigkeit, Dankbarkeit, Schrecken, Haltlosigkeit, Tränen, Vertrauen und vor allem Liebe.
Mir wurde erzählt, dass der Ehemann der Sterbenden und einer ihrer Söhne schon verstorben waren und so "baute" ich eine Brücke zwischen den Lebenden und den in der Ewigkeit Seienden, zwischen Diesseits und Jenseits. Im Zentrum war die Frau im Sterbebett. Während des ruhig und liebevoll vollzogenen Ritus der Salbung öffnete sie kurz die Augen, um sie dann wieder nach innen zu wenden. Und, das erlebte ich hier zum ersten Mal, sie betete immer wiederkehrende Gebetsformeln, die an Maria und an Jesus Christus gerichtet waren. Lange und immer wieder eingeübtes Gebet kann zum Anker und Halt in schwerster Situation werden. So ein Gebet ist auch Ausdruck von inniger Liebe zwischen dem Betenden und Gott.
Wir alle im Raum waren von diesem Zeugnis einer erfahrenen Christin sehr beeindruckt. Ihr Sterben war wie ein Vermächtnis für ihre Nachkommen. Keiner wird das Erlebte mehr vergessen.
Jesus betet in der heutigen Evangelienstelle zu seinem Vater. Er betet für seine "Nachkommen", damit sie eins sind. Er hat im Laufe seines irdischen Lebens ihnen den Namen und die Wirklichkeit seines Vaters im Himmel und damit die himmlische Liebe bekannt gemacht. Die Art und Weise, wie Jesus im Johannesevangelium betet, rührt einem das Herz.
Nach Antoine de Exupéry, dem berühmten französischen Schriftsteller, besteht Liebe nicht darin, dass man einander anschaut, sondern dass man gemeinsam in dieselbe Richtung blickt. Genau so hatte Jesus seine Liebesbeziehung zum Vater gelebt und vorgelebt: "Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin ..."
Viktor Emil Frankl, Psychiater, Philosoph, KZ-Überlebender, ärztlicher Seelsorger und Prophet dafür, dass das Leben unter allen (!) Umständen einen Sinn hat, sieht im Gebet ein Gespräch mit dem intimsten Seelenpartner, Gott, und einen Blick ins Unendliche.
Die lebenslang eingeübte Beziehung zu Gott, das innere Gebet und die Liebe bauen Brücken über Abgründe ins Licht und schenken neues Leben. Jesus zeigt uns das und auch die Uroma, Oma und Mutter gibt Zeugnis davon.
Evangelium nach Johannes (Joh 17,20-26)
In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und betete: Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.
Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.
Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast.
Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor Grundlegung der Welt.
Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.