Wie Gemeinden auch Fernstehende erreichen wollen

Pfarrbriefe: Der Trend geht zum Magazin

Veröffentlicht am 22.06.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bergisch-Gladbach ‐ Früher war klar, wie ein Pfarrbrief aussah und was er enthielt: Gottesdienstzeiten und den Nachbericht zum letzten Bibelkreis auf schlichtem, weißem Druckerpapier. Doch in vielen Gemeinden hat ein Umdenken begonnen. Denn der Pfarrbrief hat noch immer Potenzial.

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So konnte es nicht weitergehen. Als die Redaktion des Pfarrbriefs "Blickpunkt" im Jahr 2014 ihren Job an den Nagel hängte, fand sich zunächst niemand, der die Arbeit übernehmen wollte. Das Heft enthielt damals hauptsächlich die Basis-Informationen der Gemeinde in Bergisch-Gladbach, Berichte über Ausflüge oder Veranstaltungen. Meist gab es kein übergeordnetes Thema. Teilweise schrieben sogar zwei Gemeindemitglieder über das gleiche Ereignis.

"Das hat den Leser ja nicht weiter gebracht", sagt Christina Wurth heute, fünf Jahre später. Die 58-Jährige engagiert sich in der Pfarrei St. Joseph und St. Antonius in Bergisch-Gladbach im Pfarrgemeinderat.  Rückblickend geht sie davon aus, "dass solche Artikel nur die interessiert haben, die teilgenommen haben".

2019 plant Christine Wurth gemeinsam mit drei anderen Ehrenamtlichen und dem Kaplan die fünfte Ausgabe des neuen Pfarrmagazins. Ein "niederschwelliges Angebot der Verkündigung" zu schaffen sei das Ziel. In Zeiten, in denen 90 Prozent nicht sonntags in die Kirche gehen, wird der Pfarrbrief zum Werkzeug der Mission statt Information.

"Nicht in der Vergangenheit stecken bleiben."

2017 erschien das Magazin zum ersten Mal: 20 Seiten, ausschließlich redaktioneller Inhalt, Auflage 7.500 Stück. Es trägt den etwas kryptischen Namen [glo-ri-JA]. Der Name war bei einem Brainstorming entstanden, als eine zehnköpfige Gruppe das Heft konzipiert hat. "JA" steht für die beiden größten Kirchen der Pfarrei: St. Joseph und St. Antonius. "Die eckigen Klammern gefielen der beteiligten Jugend gut", sagt Wurth. Das sei modern, so die Begründung.

Darüber lässt sich sicher streiten. Unbestritten ist aber, dass das Magazin an sich modern daherkommt. "Mit der Zeit gehen" lautet der Titel der aktuellen Ausgabe. Auf den ersten Seiten analysieren Pfarrgemeinderatsmitglied Ernst Henning Hahn und Kaplan Joseph Athirampuzhayil die Folgen der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Hahn bemängelt, dass sich viele Christen mit einer Distanz zur Kirche äußerten. Der Kaplan kommentiert: "Wir sollen die Taten der Vergangenheit anerkennen, aufklären und aufarbeiten. Aber wir sollten nicht in der Vergangenheit stecken bleiben". Es folgen zehn Statements von Familien, Messdienern und der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden, warum sie ihrer Kirche treu bleiben. In der Rubrik "Kirche kinderleicht" wird in jeder Ausgabe eine Frage erläutert. Diesmal: "Was macht eigentlich der Papst?"

Redaktion Pfarrmagazin gloriJA
Bild: ©

Die Redaktion des Pfarrmagazins [glo-ri-JA] aus Bergisch-Gladbach: Ernst Henning Hahn (links), Antje Bergatt, Christine Wurth, Adriana Tappari López und Kaplan Joseph Athirampuzhayil.

Das Magazin steht exemplarisch dafür, wie das Prinzip Pfarrbrief in den Gemeinden weiterentwickelt wird. Dass es so kam, hat die Pfarrei einem Angebot des Erzbistums Köln zu verdanken. Als in der Pfarrbriefredaktion ein Vakuum herrschte, bot die Erzdiözese seinen Pfarreien an, sie von der Konzeption bis zum fertigen Exemplar zu beraten. Von der Expertise zehren die fünf Redaktionsmitglieder heute noch, wenn sie für das Magazin Themen setzen, Autoren suchen, Texte redigieren und das Layout gestalten.

Vom Schreibmaschinen-Blättchen zum Hochglanzmagazin: Der Pfarrbrief hat nicht nur in Bergisch-Gladbach einen Wandel vollzogen. Johannes Simon, Leiter des Pfarrbriefservices, schätzt, dass gut jede fünfte Pfarrei ein Magazin herausgibt. Er sieht aber auch noch "Luft nach oben". Seine Idealvorstellung: "Ein Pfarrbrief, der drei bis vier Mal im Jahr erscheint und wirklich alle Katholiken einer Gemeinde erreicht." Dieser solle die Gottesdienstordnung mit allen Terminen dann nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen.

Der Pfarrbriefservice ist eine Plattform der 27 deutschen Bistümer. "Ein Synergieprojekt", sagt Simon. "Bevor jeder ein paar Bilder auf Bistumsebene zur Verfügung stellt, haben wir gesagt: Wir schließen uns zusammen" In Haßfurt im Bistum Würzburg leitet er die Onlineredaktion des Pfarrbriefservices mit drei Redakteuren – partiell unterstützt von Angestellten in den 27 Diözesen. Die Plattform hilft den Machern vor Ort durch Knowhow, Texte und Bilder. Kostenlos. "Wir legen Wert darauf, nicht nur kircheninterne Themen aufzugreifen, sondern auch Lebens- und Glaubensthemen für die, die nicht regelmäßig am Gemeindeleben teilnehmen", sagt Johannes Simon.

Johannes Simon
Bild: ©Carina Glück

Johannes Simon ist Leiter des Pfarrbriefservices.

Für jeden Monat setzt die Redaktion ein Schwerpunktthema. Im Juli lautet es: "Anders reisen – Fernab von Luxushotels und Wellnessressorts". Dazu hat die Redaktion 80 Bilder und 23 Texte zur Verfügung gestellt: Symbolbilder, ein Motiv des Felsendoms und Landschaftsaufnahmen genauso wie ein Gedicht mit Urlaubswünschen, Tipps für nachhaltige Ferien und Auszeit im Alltag.

Stark nachgefragt seien gerade die Bilder des Pfarrbriefservices. "Wir leben in einer bildorientierten Gesellschaft", sagt Simon und zitiert dann den dritten der 15 Tipps, den er und sein Team für alle Pfarrbrief-Macher bereithalten: "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte." Zusätzlich liefert das Portal in der Rubrik "Nachahmenswert" gelungene Beispiele aus den Pfarrgemeinden. Im "Pfarrbriefcheck" gibt es Kritiken zu Pfarrbriefen aus ganz Deutschland  – auch das Magazin aus Bergisch-Gladbach wurde bewertet. Das Urteil: Mutig, dass die Redaktion zum Thema Missbrauch Stellung bezieht. Gut, dass Magazin mit festen Rubriken erscheint. Schade, dass eine Stellenausschreibung sehr kleiner Schrift abgedruckt wurde.

Wer gestaltet den besten Pfarrbrief?

Der Pfarrbrief gehöre nach wie vor zu den wichtigsten Medien für die Kirche, sagt auch Matthias Holluba. Allein wegen der räumlichen Nähe zu den Menschen. Er leitet als Chefredakteur die katholische Wochenzeitung "Tag des Herrn", die in den (Erz-)Bistümern Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg erscheint. Derzeit sucht die Zeitung die besten Pfarrbriefe auf ihrem Verbreitungsgebiet. Schon 2011 gab es diesen Wettbewerb. "Bei den Pfarrbriefen gab es im Osten Deutschlands lange Zeit Nachholbedarf", erläutert er. "Da wollten wir schauen, was alles entstanden ist."

Damals bekamen sie Pfarrbriefe in unterschiedlichster Qualität zugeschickt: von der reinen Nachrichteninformation bis zum Hochglanzmagazin. Im aktuellen Wettbewerb, der bis zum 30. Juni läuft, seien bisher 30 Ausgaben eingereicht worden. "Die Pfarrbriefe sind inhaltlich und in der Gestaltung zu einem großen Teil professioneller geworden", lautet Hollubas bisheriges Urteil. Alles Weitere lässt sich dann bald im "Tag des Herrn" nachlesen.

So können Sie am Pfarrbriefwettbewerb teilnehmen

Für die Auswahl benötigt die Redaktion des "Tag des Herrn" zwei Ausgaben des Pfarrbriefs: eine aktuelle und eine weitere Ausgabe. Dazu soll in einem Begleitschreiben erläutert werden, wie der Pfarrbrief entsteht, in welcher Auflage er gedruckt und wie er verbreitet wird und warum man ihn für gelungen hält. Für Rückfragen soll ein Ansprechpartner der Pfarrbriefredaktion genannt werden. Die Dokumente werden bis zum 30. Juni unter der Adresse tdh@st-benno.de entgegengenommen. Prämiert werden die drei besten Pfarrbriefe mit Druckkostenzuschüssen in Höhe von 500, 300 und 100 Euro. Möglich sind auch Sonderpreise, zum Beispiel für das beste Layout.

Der Pfarrbrief ist in Deutschland das reichweitenstärkste Printmedium der katholischen Kirche. Er hat sich aus dem neuen Gemeindeverständnis in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil heraus entwickelt. Neben den Informationen soll er als runder Tisch für Meinungen der Gruppen und einzelner Gemeindemitglieder dienen – das legte die Publizistische Kommission der Deutschen Bischofskonferenz 1995 in einem Grundlagenpapier zur Pfarrbriefarbeit fest. Matthias Holluba gibt als Tipp für die praktische Arbeit: "Einen guten Pfarrbrief macht aus, dass man alle notwendigen Informationen findet, dass das Gemeindeleben reflektiert wird. Und, dass man sich mit den wichtigen Fragen einer Pfarrei beschäftigt."

Seit 2002 werden die Redaktionen in den Gemeinden vom Pfarrbriefservice unterstützt. Dessen Leiter beobachtet, dass "viele Ehrenamtliche in ein Alter kommen, in dem sie mit der Arbeit für den Pfarrbrief aufhören." Das fordert die Pfarreien und Pastoralen Räume sicher heraus – bietet aber auch Chancen für neue Ideen. So, wie in Bergisch-Gladbach, wo das fünfköpfige Redaktionsteam derzeit die fünfte Ausgabe ihres Magazins plant. Ein Titelthema schwebt Christine Wurth schon vor: "Neue Energien."

Von Tobias Schulte