Die Frage des Profils
Die Rednerliste war auch am fünften Tag der Kardinalsversammlung nicht erschöpft. Wie es denn um die Finanzen des Heiligen Stuhls steht und welche Enthüllungen noch rund um die unangenehme Vatileaks -Affäre zu befürchten sind - solche brisanten Fragen brannten doch etlichen unter den Nägeln.
Schon mit dem Start der Sedisvakanz - als Benedikt XVI. am 28. Februar den Stuhl Petri geräumt hatte - waren gleich mehrere Fronten unter den Purpurträgern aufgebrochen. Sollte nach den Krisen in dem Pontifikat des deutschen Papstes eher ein nichteuropäischer Pontifex gewählt werden oder ein Kenner der Kurie, um diese von verkrusteten Strukturen zu befreien? Und war es nicht besser, wie man es in dieser Woche auch getan hat, erst einmal etwas klare Sicht zu gewinnen?
Ein neuer Papst bis Palmsonntag?
Mit einem schon vorher ausdiskutierten Profil desjenigen, der die Weltkirche der 1,2 Milliarden aus den Krisen und in die Neuzeit führen müsste, könnte das bevorstehende Konklave dann kurz sein. Bis Palmsonntag, also zum Beginn der Karwoche, sollten die Katholiken einen neuen Papst haben.
In den fünf Tagen der Kardinalsversammlung gab es mehr als 100 Wortmeldungen aus dem Kreis der Purpurträger, denen man die Redezeit begrenzen musste. Während die Medien schon tagelang den kommenden Montag für einen vorgezogenen Konklave-Beginn festgeklopft zu haben schienen, gaben die Kirchenmänner diese Losung aus: "Keine Eile."
Sie redeten über die bitter nötige Reform der Kurie, die nach dem spektakulären Vatileaks-Skandal um den Klau von Dokumenten und um Machenschaften und Intrigen im Vatikan mehr denn angesagt scheint. Wie die Beziehungen zwischen dem Papst in Rom und seinen Bischöfen in der Welt verbessert werden könnten, schien den Kardinälen ebenfalls wichtig. Im Hintergrund immer die Frage: Wer kann das alles managen?
„Rom-fern“ oder Kurien-Mann
Zum Gerangel um Kandidaten und Koalitionen gibt es täglich neue Wasserstandmeldungen der Medien und der Vaticanisti. Gerade spült die Flut der Informationen wieder den von Benedikt geschätzten Mailänder Erzbischof Angelo Scola ganz nach oben. Er gilt als «Rom-fern» und könnte so die Rückendeckung auch amerikanischer, osteuropäischer und deutscher Papstwähler haben, spekulierte am Freitag das Turiner Blatt "La Stampa".
Als Mann der Kurie wird dagegen öfter der brasilianische Kardinal Odilo Pedro Scherer, Erzbischof von Sao Paolo, genannt. Das hieße: Es geht nicht darum, ob der nächste Pontifex aus Europa kommen soll oder aus der südlichen Hemisphäre, von dort, wo die Weltkirche wächst.Entscheidend wäre eher, ob er nahe der Kurie stehen muss.
Wieder ist alles möglich und eine Überraschung ganz und gar nicht ausgeschlossen. 115 Kardinäle sind wahlberechtigt , notwendig ist eine Zweidrittelmehrheit, das Quorum liegt damit bei 77 Purpurträgern: Es braucht also eine breitere Feinabstimmung über das, was den nächsten Oberhirten auszeichnen soll - und ob die Kirche schon bereit ist für einen «schwarzen Papst», einen aus Asien oder auch aus Lateinamerika.
In dem Karussell der Spekulationen spielten die US-Kardinäle eine besondere Rolle. Einer von ihnen rückte ein Stück weit nach vorne: Donald William Wuerl aus Washington. "Für die Zukunft der Kirchen brauchen wir eine klare Kommandokette", gibt der Erzbischof aus der US-Hauptstadt eine Losung vor. "Noch gibt es keine eindeutige Auswahl bei den Kandidaten", sagt Wuerl - dieses Konklave werde nicht kurz sein, und die Kirche brauche auch neuen Schwung bei der Verkündung des Evangeliums. Spricht das nicht für einen jüngeren Papst, einen, der den langen Atem für Reformen hat?
Von dem im Alter von 85 Jahren abgetretenen Benedikt ist in Rom derweil nur noch wenig die Rede. Die Kirche sucht ihren Weg in die Zukunft - und den, der sie dahin führt.