Die Wahlkapelle in St. Bartholomäus

Als im Frankfurter Dom die Kaiser und Könige gewählt wurden

Veröffentlicht am 15.06.2019 um 12:50 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Sie ist klein und eher unscheinbar, dafür aber voller Geschichte: In der Wahlkapelle im Frankfurter Kaiserdom wurden die deutschen Könige und Kaiser gewählt. Doch bevor es an die Wahl ging, feierte man erst einmal vier Heilige Messen - direkt hintereinander.

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Herrliche Kunstwerke wie die Fresken von Michelangelo hat die Wahlkapelle im Frankfurter Dom nicht zu bieten. Roter Sandstein dominiert das Erscheinungsbild des Raums. Und doch gibt es auch eine Gemeinsamkeit mit der Sixtinischen Kapelle in Rom, die man auf den ersten Blick nicht vermuten würde. Von 1438 bis 1806 wurden in der kleinen, eher schmucklosen Kapelle des Kaiserdoms St. Bartholomäus die Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gewählt. Sieben Kurfürsten kamen dafür stets zusammen – unter ihnen auch die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln. "Zur Abstimmung über den neuen König wurden sie in die Wahlkapelle eingeschlossen", sagt Matthias Kloft, Direktor des Limburger Diözesanmuseums. Konklave im Kaiserdom also. Eine Situation wie im fernen Rom.

Ähnlich wie bei der Papstwahl gab es auch in Frankfurt Pläne für den Fall, dass sich die Wähler auch nach Tagen und Wochen nicht einig werden. Dann hätten die Kurfürsten nur noch Wasser und Brot gereicht bekommen. "Außerdem ist auf Plänen aus dem 18. Jahrhundert erkennbar, dass für den Wahlzeitraum übergangsweise eine Kommodität eingerichtet wurde", formuliert Kloft ein wenig antiquiert. Gemeint ist eine Toilette in einer Ecke der Kapelle. Tatsächlich genutzt worden sei sie aber nur selten. Denn etwa ab 1700 hätten sich die Kurfürsten bereits vor der Wahl im im Dom abgesprochen und auf einen neuen Herrscher festgelegt. Dann seien nur noch ein oder zwei Wahlgänge nötig gewesen.

Matthias Kloft
Bild: ©Bistum Limburg

Matthias Kloft ist Direktor des Diözesanmuseums Limburg.

Dass die römisch-deutschen Könige und Kaiser überhaupt in Frankfurt gewählt wurden, hatte Karl IV. mit der Goldenen Bulle im Jahr 1356 festgelegt. Nachdem man die Wahlen zunächst für Jahrzehnte an jeweils verschiedenen Orten in der Stadt abgehalten hatte, wurde 1438 schließlich die Wahlkapelle - der Kapitelsaal des St. Bartholomäus-Stifts – fertiggestellt. Für die Königswahlen wählte man ihn deshalb aus, weil er einerseits im imposanten Dom lag und andererseits – ganz pragmatisch – gut verschließbar war. Wie die Papstwahl sollte die Wahl auch hier geheim, frei und vom Heiligen Geist geleitet sein, erklärt Kloft. Die Kapelle hatte bis 1430 als Stiftsbibliothek gedient. Und da Bücher im Mittelalter wertvoll waren und gut geschützt werden mussten, war er gut gegen Einbrecher gesichert.

Ritual zur Königswahl: Gleich vier Messen hintereinander

Zum Ritual der Königswahl gehörte, dass die Kurfürsten zuvor gleich vier Messen hintereinander feierten. Später waren auch die Protestanten unter ihnen dabei, verließen die Messen aber häufig zur Wandlung. Soweit ging die Ökumene dann doch nicht. Dagegen drängelten sie sich an anderer Stelle vor: Bei der Wahl Karls VII. reichte der Erzbischof von Mainz den Kurfürsten Weihwasser, damit sie sich bekreuzigten. Die Protestanten hatten dabei das Vorrecht, zuerst an der Reihe zu . "Da war die Denke: Ein Recht muss man einfordern, auch wenn man religiös nicht auf demselben Stand ist", erklärt Historiker Kloft.

Wo früher die Kurfürsten ihren König wählten, ist heute Raum für Ruhe und stilles Gebet. "Der Besucherverkehr im Frankfurter Dom ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Da ist die Wahlkapelle der einzige Ort, an dem man sich zurückziehen kann", sagt Robert Sommer. Als Dombaumeister der Stadt Frankfurt leitet er gerade Renovierungsarbeiten in der Wahlkapelle. Noch bis voraussichtlich Ende Oktober werden die Wandflächen und Fenster gesäubert, das Gestühl erneuert und ein Plateau für eine Orgel errichtet. Außerdem wird der Sandsteinaltar, auf dem ein gotischer Flügelaltar steht, von der Kopfseite der Wand weiter in Richtung Raummitte gesetzt. So soll es den Priestern möglich sein, um den Altar zu schreiten und die Messe mit Blick auf das Volk zu feiern.

Bild: ©Stadtkirche Frankfurt

Die Wahlkapelle im Frankfurter Kaiserdom vor den Renovierungsarbeiten im Juni 2019.

Neben dem Altar wird eine Sockelstele – ebenfalls aus rotem Mainsandstein – errichtet. Sie trägt dann den gotischen Flügelaltar, der bisher auf dem Altar stand. In diese Stele wird außerdem eine Glasvitrine installiert – mit der Reliquie des Namenspatrons Bartholomäus. Die Schädeldecke des Heiligen wurde zunächst im Dommuseum und ab 1994 im Südquerhaus des Kaiserdoms aufbewahrt. Durch den Standortwechsel erhofft sich der Bürgermeister und Kirchendezernent der Stadt, Uwe Becker, dass mehr Menschen die "kostbare Reliquie" verehren werden. Die Schädeldecke soll zudem durch installiertes Licht besser in Szene gesetzt werden.

Kapelle wird für 250.000 Euro renoviert

Die Renovierung der Kapelle kostet rund 250.000 Euro. Das Geld kommt je zur Hälfte von der Stadt Frankfurt als Eigentümerin der Kirche und vom Bistum Limburg. Dass der Stadt Frankfurt die Kirche gehört und sie daher auch für Renovierungskosten zahlt, geht auf einen in Deutschland einmaligen Vertrag zwischen Stadt und der katholischen Gemeinde Frankfurts aus dem Jahr 1830 zurück: die sogenannte Dotationsverpflichtung. Darin bindet sich die Stadt rechtlich daran, acht kirchliche Immobilien "und Zugehörungen wie die Orgel und dergleichen fortwährend in gutem Stand" zu halten.

Grund für die Verpflichtung ist keineswegs pures Wohlwollen der Stadt gegenüber den Kirchen. Eher im Gegenteil. In der Zeit der Säkularisierung enteignete die Freie Stadt Frankfurt Gebäude und Besitztümer der Kirchen. Darunter immense Summen, die die Menschen für den Unterhalt der kirchlichen Bauten gespendet hatten. "Viel mehr als damals für Instandhaltung und Renovierung der Kirchen notwendig war", schätzt Matthias Kloft. Da die Stadt Frankfurt die kirchlichen Institutionen zum großen Teil enteignet hatte, musste sie ab sofort selbst dafür bezahlen. Auch dann, als der Frankfurter Dom 1867 brannte und im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde – und immense Kosten für den Wiederaufbau fällig wurden.

Von Tobias Schulte