"Die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen, war nie katholisch"

Bischof Kohlgraf: Kirche muss Realität in den Blick nehmen

Veröffentlicht am 15.06.2019 um 11:58 Uhr – Lesedauer: 
Bischof Kohlgraf: Kirche muss Realität in den Blick nehmen
Bild: © Privat

Mainz ‐ Ohne Scheuklappen soll die Kirche auf die Lebensrealität der Menschen gucken. Das fordert Bischof Peter Kohlgraf und sieht darin sogar ein Kennzeichen der katholischen Kirche. Zudem stellt der Mainzer Oberhirte die Unveränderlichkeit von Glaubenswahrheiten infrage.

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Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat die Kirche aufgerufen, ohne Scheuklappen die Wirklichkeit der modernen Gesellschaft in den Blick zu nehmen. Das Spannungsverhältnis zwischen Kirche und Gesellschaft sei jedoch gestört, sagte Kohlgraf am Wochenende in Mainz. Durch die Auseinandersetzung mit der Welt verändere sich die Kirche mehr, als dass sie die Welt inspiriere.

Weiter sagte der Bischof, das weitere Auseinanderklaffen und "der Bedeutungsverlust der christlichen Botschaft" dürften nicht einfach als Tatsache hingenommen werden. Die Kirche dürfe weder rein weltlich werden noch sich "dem Prozess der Transformation" entziehen: "Beide Versuchungen gab und gibt es immer wieder."

Kirche muss um Glauben ringen

Veränderungen könnten belastend sein, räumte Kohlgraf ein und fügte hinzu: Aber "die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen, war nie katholisch". Sich der Wirklichkeit zu stellen, sei wohl eines der herausragenden Merkmale des Katholischen, weil es dem Wesen Gottes entspreche. "Billiger geht es dann für die Kirche auch nicht", so Kohlgraf.

Die Auffassung, dass Glaubenswahrheiten über Jahrhunderte von den Realitäten unberührt überliefert worden seien, werde der Realität und der Lebendigkeit kirchlichen Lebens nicht gerecht. Sowohl der einzelne als auch die Kirche hätten um den Glauben gerungen. Kohlgraf weiter: "Dabei hat sie ja nicht einfach ewig gültige theoretische Lehrsätze wiederholt, sondern sie hat selbst von ihren Adressaten gelernt, das Evangelium immer neu zu verstehen." Die Kunst bestehe darin, "sich neu konstituieren zu lassen, ohne die Kontur zu verlieren". (rom/KNA)