Kolumne: Unterwegs zur Seele

Vertrauen statt betteln

Veröffentlicht am 20.06.2019 um 12:31 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Viele Gebete, die wir Menschen zum Himmel abfeuern, sind Bitten oder Betteleien. Vielleicht sollten uns wir stattdessen besser im Vertrauen üben, im Vertrauen darauf, dass das, was uns zufällt, oder auch nicht zufällt für uns am sinnhaftesten ist. Christen nennen es Gottvertrauen.

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"Erhörte Gebete", so heißt ein Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Truman Capote (1924-1984), in dem er mit der sogenannten "feinen" New Yorker Gesellschaft abrechnet. Der Titel des Buches ist einem zu Weltruhm gelangten Satz der Heiligen Teresa von Avila entnommen: "Es werden mehr Tränen über erhörte Gebete vergossen als über nicht erhörte."

Was die große Mystikerin damit meinte, ist so einleuchtend wie zeitlos: Sehr viele Gebete, die wir Menschen zum Himmel abfeuern, sind Bitten, Betteleien. "Lieber Gott, mach' dass ich ..." ist eine der gängisten Formulierungen. Paradoxerweise glauben die wenigsten Menschen, dass tatsächlich Gott gehandelt hat, wenn ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Selbsterfüllende Prophezeihung nennt die moderne Psychologie das Phänomen und erklärt damit eine unbewusst ablaufende Verhaltensänderung beziehungsweise -steuerung, die dazu führt, dass sich eine Erwartung beziehungsweise eine Befürchtung tatsächlich erfüllt.

Gott ist kein Herbeizauberer

Beten kann sogar gefährlich sein, könnte man jetzt schlußfolgern. Womöglich die Art des Betens, die auf Wunscherfüllung ausgerichtet ist, denn die meisten Wünsche sind nicht zwingend deckungsgleich mit dem, was wir Menschen tatsächlich benötigen in unserer Entwicklung – das können wir nicht wissen, das kann nur Gott, dessen Wirken und Zusammenfügen sich im Verborgenen vollzieht. Gott ist kein Erfüllungsgehilfe, kein Herbeizauberer, schon Kinder lernen das ziemlich schnell.

Rubrik: Unsere Gebete

Wir beten, weil wir Gott danken möchten. Aber auch, weil wir ihn um Hilfe in Notsituationen und Lebenskrisen bitten dürfen. Katholisch.de stellt zentrale Gebete vor.

Wird ein Bitte-Bitte-Gebet "erhört", greift womöglich diese selbsterfüllende Prophezeihung und der Bittsteller bekommt das, was er so glühend ersehnt. Es kann ihn zufriedenstellen, kann aber auch in Enttäuschung, in Frustration münden, sogar tränenreich enden. Vor allem: nach dem Wunsch ist vor dem Wunsch. Ständiges Streben, Wünschen, Wollen kann eine Last sein, die uns Menschen durchs Leben hetzt und uns von den wesentlichen Dingen abhält. "Schweig oh Herz, und zähme deine Wünsche. Weißt Du denn nicht, was Gott tut, das ist wohlgetan?", schrieb der Dichter Johann Arndt.

Wer Gott hat, dem fehlt nichts

Vielleicht sollten wir statt des Bittens uns besser im Vertrauen üben, im Vertrauen darauf, dass das, was uns zufällt, oder auch nicht zufällt für uns am sinnhaftesten ist. Christen nennen es Gottvertrauen. Dann käme dem Gebet auch eine andere Bedeutung zu, in dem Sinne, dass ein Gebet eigentlich ein "Sprechen des Herzens mit Gott"sein soll oder wie es unübertroffen der christliche Existenzphilosoph Peter Wust (1884-1940) kurz vor seinem frühen Tod beschrieb:

"Das Gebet ist ein Zauberschlüssel, der einem das letzte Tor zur Weisheit des Lebens zu erschließen vermag. Das Gebet, als letzte Hingabe gefasst, macht still, macht kindlich, macht objektiv. Gebet kennzeichnet alle letzte 'Humilitas' des Geistes. Die großen Dinge des Daseins werden nur den betenden Geistern geschenkt. Beten lernen aber kann man am besten im Leiden." Haben wir das rechte Beten erlernt, werden wir auch aus Freude und Dankbarkeit beten, könnte man hinzufügen. Teresa von Avila drückte es so aus: Wer Gott hat, dem fehlt nichts. Gott allein genügt.

Von Brigitte Haertel

Die Autorin

Brigitte Haertel ist Redaktionsleiterin von "theo – Das Katholische Magazin".

Hinweis: Der Artikel erschien zuerst im "theo"-Magazin.