Predigt über Missbrauch: 70 Gläubige verlassen Kirche aus Protest
Eine Predigt über Missbrauch und Vergebung eines emeritierten Pfarrers hat im Bistum Münster für Aufregung gesorgt. Rund 70 Gläubige verließen unter Protest eine Kirche in Münster, berichtete das Bistumsportal "kirche-und-leben.de" am Donnerstag. Pfarrer Ulrich Zurkuhlen habe demnach in seiner Predigt am vergangenen Wochenende dafür geworben, einander vergeben zu können und diese Äußerung ausdrücklich auch auf Priester bezogen, die als Täter Minderjährige sexuell missbraucht haben. Aufhänger für die Predigt sei das Lästern zweier Frauen über ihre verstorbenen Männer gewesen, das er zufällig mitbekommen hatte. Das habe der 79-Jährige im Nachhinein bestätigt.
Besucher des Gottesdienstes berichteten, der Pfarrer habe über einen befreundeten Priester berichtet, der als Täter beschuldigt werde. Es müsse an der Zeit sein, ihm zu vergeben. Daraufhin sei es laut und hektisch geworden, und der Pfarrer habe seine Predigt nicht zu Ende geführt.
Priester verweist auf Vergebungsbitte aus Vaterunser
Zurkuhlen sagte "kirche-und-leben.de", er sei schockiert gewesen. Gegen "den schreienden Mob" habe er die biblisch so wichtige Bedeutung von Vergebung nicht darlegen können: "Wir beten ja nicht umsonst im Vaterunser: Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern." Sogar Bischöfe sprächen von Priester-Tätern als "Verbrecher", obwohl diese durchaus auch gute Seelsorger gewesen sein könnten, so Zurkuhlen. Niemand sei nur abgründig böse: "Oft verbinden sich Güte und Schuld miteinander oder stehen ohne Berührung nebeneinander."
Der leitende Pfarrer der Pfarrei, Stefan Rau, bedauerte das Geschehen. Der Predigtinhalt und der Sprung von lästernden Frauen zum Opfer-Täter-Verhältnis sei "mehr als unbedacht" gewesen. Am Gottesdienst hätten nach seiner Information auch Missbrauchsopfer teilgenommen. Pfarrer Zurkuhlen sei das nach eigenem Bekunden nicht bewusst gewesen. Rau kündigte an, für Montag die Gemeinde zu einer öffentlichen Diskussion über das Geschehene einzuladen.
Das Bistum Münster begrüßte die Gesprächsankündigung. Dies sei "das richtige Signal", sagte Bistumssprecher Stephan Kronenburg der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Da die Predigt frei gehalten worden sei und nicht schriftlich vorliege, könne sich das Bistum zum Inhalt nicht äußern. Jedoch sollten bei allen Bemühungen zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs "zunächst die Opfer im Mittelpunkt stehen und nicht die Täter". (rom/KNA)