"Christus kommt von vorne auf uns zu"

Marx trauert vermeintlich besseren Zeiten für die Kirche nicht nach

Veröffentlicht am 12.07.2019 um 15:56 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Früher war alles besser? Besonders in der Kirche? Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sieht das nicht so. Die Zeiten, in denen man mit der Hölle gedroht habe, seien Gott sei Dank vorüber.

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Der Münchner Kardinal Reinhard Marx trauert den vermeintlich besseren früheren Zeiten für die Kirche angesichts einer säkularer werdenden Gesellschaft nicht hinterher. Die Menschen sollten sich freiwillig für etwas entscheiden, "wir können sie doch nicht dazu zwingen", sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstagabend in München. Dabei kritisierte er, dass einige immer noch Renaissance mit Restauration verwechselten.

Seine Devise sei, hoffentlich werde es nicht so wie es einmal war, erklärte der Erzbischof von München und Freising. Früher sei dem Menschen mit der Hölle gedroht worden, wenn er nicht an Gott glaube. Marx rief zum Blick nach vorn auf. Denn: "Christus kommt von vorne auf uns zu." Wenn die Kirche jetzt auch noch zu jammern anfange, werde sie keine Zukunft haben.

Der Kardinal äußerte sich auf einer Diskussionsveranstaltung mit dem Oberrabbiner von Moskau und Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt. Anlass des Gesprächs der beiden Religionsvertreter war das Erscheinen eines neuen Buchs von Goldschmidt mit dem Titel "Communitate et Orbi - für die Gemeinschaft und für die Welt".

Goldschmidt lobte die Beziehung zwischen den Juden und der katholischen Kirche in Deutschland als "ausgezeichnet". Sie sei ein Vorbild für andere Länder, sagte der Moskauer Obberrabbiner. Kardinal Marx, bestätigte dies. Man sei miteinander im ständigen Dialog, auch wenn das die Öffentlichkeit nicht unmittelbar wahrnehme.

In diesem Austausch entstünden viele gemeinsame Texte, sagte Marx. Zwar sei ihm bewusst, dass diese nicht von Millionen gelesen würden, dennoch seien sie wichtig. "Uns verbindet ein großer Schatz", sagte der Kardinal und verwies als Beispiel auf das Verständnis von Gott als Vater aller Menschen. Der Erzbischof verteidigte auch grundsätzlich den Dialog. Bedeute dieser doch, sein Gegenüber ernst zu nehmen, ihm zuzuhören und neugierig auf den anderen zu sein.

Dem pflichtete Goldschmidt bei und berichtete, dass die Rabbiner in Wien etwa vor einiger Zeit einen jüdisch-muslimischen Dialog begonnen hätten, an dem sich sieben Imame und sieben Rabbiner beteiligten. Auch wenn der Anfang schwer gewesen sei, würden sie sich inzwischen gut verstehen. Der Dialog bringe viel Segen, so der Oberrabbiner: "Dass wir zusammensitzen ist schon ein Zeichen."

Der wachsende Antisemitismus in Europa lasse sich nur erfolgreich bekämpfen, wenn die große Mehrheit der Bevölkerung dabei mitmache, sagte Goldschmidt. Auch wenn er das Problem nicht kleinreden wolle, sagte Marx, so wolle er doch betonen, dass 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland keine Rassisten seien. Zugleich gelte auch, dass Christen und Juden keiner mehr auseinanderbringen dürfe. (cst/KNA)