Ein Papst erobert Rom
In dieser Kirche hatte sein Ordensgründer, der heilige Ignatius von Loyola (1491-1556) seine erste Messe gefeiert. Aus Spanien kommend, war er einer Vision gefolgt, nach der Christus ihm versprach: "In Rom werde ich dir gnädig sein." Ob Franziskus das Gleiche erflehte, als er noch einen Moment in der Primizkapelle des heiligen Ignatius innehielt?
Es war ein privater Besuch am frühen Morgen; ohne Zeremoniell, ohne viele Worte. Franziskus nur begleitet von einer Handvoll Kurialer, unter ihnen Erzbischof Georg Gänswein als Präfekt des Päpstlichen Hauses. Auch Kardinal Bernard Law (81) kam dazu. Er ist emeritierter Erzpriester von Santa Maria Maggiore und hatte den Posten erhalten, nachdem er 2002 in Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal die Leitung seines Erzbistums abgeben musste. "Seid barmherzig", mahnte der neue Papst die Beichtväter der Basilika im Hinausgehen.
Schulden bezahlt
Auf dem Rückweg zum Vatikan machte der Papst bei der Kleriker-Unterkunft "Domus Internationalis Paulus VI" in der römischen Altstadt halt, "um ein paar Sachen mitzunehmen", wie es hieß. In dem Haus in der Via della Scrofa hatte er die Tage vor dem Konklave gewohnt. Jetzt wollte er sich dort verabschieden und die Rechnung begleichen. Ein Stellvertreter Christi, der die Schulden bezahlt: Bei italienischen Medien macht das Eindruck.
Es sind diese Gesten selbstbewusster Bescheidenheit, die am ersten Tag des neuen Papstes zur Nachricht werden: Angeblich wollten die Zeremoniäre Franziskus am Donnerstag als erstes zum Schneider bringen; er bestand auf den Gebetsausflug zur Muttergottes. Zur traditionellen Huldigung der Kardinäle nach der Wahl lehnte er es ab, sich auf einen Sessel zu setzen. Kardinal Wilfrid Napier berichtet, am Ende der Zeremonie sei Franziskus noch einmal zur Sixtinischen Kapelle zurückgekehrt, weil der gebrechliche Kardinal Ivan Dias (76) nicht hinterherkam.
Die deutschen Kardinäle Karl Lehmann und Reinhard Marx loben die Umgänglichkeit und den Humor des neuen Kirchenführers. Von der Wahl, die ihn zum Oberhirten über 1,2 Milliarden Katholiken machte, fuhr Franziskus mit den anderen Kardinälen im Bus zurück zum Gästehaus.
Beim Abendessen soll er gesagt haben: "Möge euch Gott vergeben, was ihr getan habt." Er habe das scherzhaft gemeint, sagt Vatikansprecher Federico Lombardi.
Lungen-OP kein Handicap
Die gleichen Worte hatte Albino Luciani 1978 nach seiner Wahl zum Papst Johannes Paul I. gebraucht; 33 Tage später war er tot. Manche sorgen sich schon jetzt über die gesundheitliche Konstitution des 76-jährigen, der nun das Amt antritt, das Benedikt XVI. zu schwer geworden ist.
Benedikt XVI. war bei seiner Wahl gerade mal zwei Jahre älter. Doch der Vatikan versichert, auch die teilweise Entfernung eines Lungenflügels in der Jugend sei für Franziskus kein Handicap. "Die, die ihn seit 30, 40 Jahren kennen, wissen, dass er bei guter Gesundheit ist", versicherte Lombardi.
Ein Gerücht zerstreute sich über Tag: dass Franziskus nach Castel Gandolfo fahren werde, um Benedikt XVI. zu besuchen. Die beiden verbindet eine merkwürdige Geschichte. Beim Konklave 2005 war Kardinal Jorge Bergoglio dem Joseph Ratzinger unterlegen. Acht Jahre lebte er im Bewusstsein, ein "Beinahe-Papst" zu sein.
Das jetzige Konklave hatte Benedikt XVI. nach Worten Lombardis intensiv begleitet; vor dem Fernseher, im Gebet. Und Franziskus, soeben gewählt, trat am Mittwochabend auf der Mittelloggia des Petersdoms und lud die Menschen in schlichten Worten ein, ein Vaterunser und ein Avemaria für den emeritierten Papst zu sprechen: "damit der Herr ihn segne und die Muttergottes ihn behüte".
Als Jesuit hat Bergoglio dem Papst besonderen Gehorsam gelobt. Jetzt will er, selbst Papst, Benedikt XVI. persönlich treffen. Noch am Wahlabend rief er ihn an. Ein Besuch in Castel Gandolfo, so versicherte Vatikansprecher Lombardi am Donnerstag, werde "weder heute noch morgen noch übermorgen" stattfinden. Aber sie werden sich sehen und Kirchenpläne schmieden. Zwei bescheidene ältere Herren.
Von Burkhard Jürgens (KNA)