Standpunkt

Hörende Bischöfe machen noch keine dialogische Kirche

Veröffentlicht am 19.07.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Nach dem Kirchenstreik "Maria 2.0" blickt Julia Knop kritisch auf die Diskussionskultur in der Kirche. In ihrem Kommentar nimmt sie vor allem die Bischöfe in die Pflicht. Diese dürften nicht nur Hörbereitschaft signalisieren, sondern müssten echten Dialog zulassen.

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Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein unterschied man eine hörende ("ecclesia audiens") von einer lehrenden ("ecclesia docens") Kirche. Die "Laien" repräsentierten die hörende – gemeint war: gehorsame – Kirche, die Hierarchie die lehrende Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Rollenverteilung grundsätzlich in Frage gestellt und den apostolischen Auftrag aller Gläubigen in Erinnerung gerufen. Wenn man Papst Franziskus beim Wort nimmt, will er die alte Rollenverteilung geradezu umkehren. Kaum ein römisches Schreiben kommt neuerdings ohne die Mahnung aus, die Bischöfe müssten auf die "Basis" hören, und im Vorfeld römischer Bischofssynoden sollen jetzt stets die Gläubigen befragt werden.

Solange solche Umfragen im Vorprogramm stehen, sind sie jedoch Symbolpolitik. Solange ausschließlich Kleriker über Lehre, Gottesdienst und Struktur der Kirche bestimmen, kann von einer Partizipation der Gläubigen keine Rede sein. Zum Hören verpflichtete Bischöfe machen noch keine dialogische Kirche. Ihre Hörbereitschaft bleibt eine Floskel, solange sie darüber urteilen, was hörenswert ist. Daran hat sich ja nichts geändert: Die Gläubigen werden gehört, wenn sie gefragt werden – nicht, wenn sie sich selbst zu Wort melden, wie jüngst bei "Maria 2.0". Davon wollten die wenigsten Bischöfe hören. Und die wenigen, die zuhörten, sahen ihre Rolle nicht im Dialog, sondern darin, das Gehörte zu beurteilen: Die Frauen dürften die Sonntagsmesse nicht verzwecken. Sie hätten Maria gründlich missverstanden. Überhaupt: Sich per Streik Gehör zu verschaffen, spalte.

Wer Unerhörtes äußert, gilt auch heute noch als unkatholisch. Bei "Maria 2.0" steht viel auf dem Spiel; und nichts davon ist neu. Es geht um konsequente Ahndung von klerikalem Missbrauch, eine zeitgemäße Sexualmoral und echte Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche. Es geht um eine Kirche, die im Jahr 2019 satisfaktionsfähig ist. Die Themen müssen auf die Agenda – aber es braucht auch partizipative Diskurs- und Entscheidungskulturen. Die Frauen von "Maria 2.0" sind vielleicht die letzten ihrer Generation, die sich überhaupt noch zu Wort melden und darauf setzen, dass sich kirchliche Erneuerung nicht in Symbolpolitik erschöpft. Wann hören sie den ersten Bischof öffentlich sagen: "'Maria 2.0': Ich bin dabei"?

Von Julia Knop

Die Autorin

Julia Knop ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.