Theologe: Bergoglio sollte Staatssekretär Benedikts XVI. werden
Laut dem argentinischen Theologen Fernando Miguens sollte der heutige Papst Franziskus 2005 Kardinalstaatsekretär unter Benedikt XVI. werden. "Benedikt wollte jemanden mit 'Nägeln wie ein Gitarrenspieler'", jemanden, der die geplante Kurienreform gegen alle Widerstände hätte durchsetzen können, sagte Miguens der US-Nachrichtenseite "Crux" am Montag. Als ehemaliger Rektor des Jesuitenseminars von San Miguel bei Buenos Aires kennt Miguens den früheren Kardinal Jorge Mario Bergoglio gut.
Schon Benedikts Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II. hätten unter der Korruption im Vatikan gelitten, so Miguens weiter. Doch hätten sie keine Reformen durchgeführt. Erst "der arme Benedikt versuchte dagegen vorzugehen und bot Bergoglio das Staatssekretariat an." Der Staatssekretär ist der engste Mitarbeiter des Papstes, weshalb das Amt als das wichtigste der römischen Kurie gilt. Bergoglio hätte so alle politischen und diplomatischen Aktivitäten des Heiligen Stuhls geleitet.
Doch Bergoglio schlug Benedikts Angebot aus. Dem britischen Papst-Biograf Austen Ivereigh zufolge fürchtete er ohne die volle Autorität des Papstamts die geplanten Reformen nicht durchführen zu können. Erst seit seiner Wahl verfüge Franziskus über die nötige Autorität für eine umfassende Kurienreform, sagt auch Miguens. Und an seinem Willen, die vatikanische Reform unbedingt durchzusetzen, habe sich auch nach 14 Jahren nichts geändert.
Ausschlaggebend für das Angebot an Bergoglio sei dessen Ruf als vehementer Bekämpfer von Korruption gewesen, schreibt "Crux". Außerdem sei der Kontakt zwischen Bergoglio und Benedikt – entgegen der populären Auffassung vom Konflikt zwischen dem progressiven Reformer und dem erzkonservativen Bewahrer – rege und von tiefem gegenseitigem Respekt geprägt, zitiert "Crux" mehrere Quellen aus dem Vatikan. Die Beziehung zwischen den beiden sei so gut gewesen, dass "wann immer der Kardinal in Rom war, er ohne eine offizielle Audienz zu erbitten, in Benedikts Büro gegangen sei ". Auch heute besucht Franziskus den mittlerweile emeritierten Papst regelmäßig. Einen Gegensatz zwischen beiden nannte Benedikt ein "törichtes Vorurteil" (cst)