Pfarrer tritt zurück: Erzbistum hatte kein Interesse an mir
Der Fröndenberger Pfarrer Norbert Wohlgemuth hat sein Amt niedergelegt. Seit Montag steht er der Pfarrei St. Marien nicht mehr vor, berichten mehrere Medien. Grund für die Freistellung war Kritik des Pfarrers an Kirchenstrukturen und einer von ihm beanstandeten Reformunfähigkeit der Kirche.
Diese Freistellung sei das Ende einer Entwicklung, die sich über Jahrzehnte hingezogen habe, so Wohlgemuth gegenüber katholisch.de. Manche Moralvorstellungen und Dogmen der Kirche hätten ihn schon während des Studiums gestört, Impulse etwa aus der Bergpredigt hätten ihn aber bestärkt, seinen Weg weiter zu verfolgen.
Klage über Grabenkämpfe
In einer persönlichen Stellungnahme schreibt Wohlgemuth nun, er sei in seiner Hoffnung auf eine Reformfähigkeit "immer wieder enttäuscht" worden. Bei seit Jahrzehnten bekannten Themen komme die Kirche nicht voran, das Kirchenvolk sei in diesem Punkt weiter als Bischöfe und Papst. Außerdem beklagt er, dass sich die Kirche von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt habe. "Wir erleben in der Kirche zu oft eine Art von Frömmelei, wo mit floskelhaften Worten Menschen abgespeist werden, anstatt ihnen konkret und tatkräftig zu helfen", so Wohlgemuth. Es sei an der Zeit, "Überheblichkeit, Arroganz, Klerikalismus, Priesterfixierung, Selbstüberschätzung und Selbstgefälligkeit abzulegen". Die Zustände von heute seien oft deckungsgleich mit jenen im Judentum, die Jesus zu seiner Zeit kritisiert habe.
Weiter beklagt Wohlgemuth Grabenkämpfe in der Kirche, unter anderem zwischen "Progressiven" und "Traditionalisten". Dass es diese Gruppierungen gebe, sei nicht das Problem. "Problematisch wird es erst, wenn sich gegenseitig die Rechtgläubigkeit abgesprochen wird und man meint, nicht mehr zusammen Eucharistie feiern zu können. Das ist Sünde am Leib des Herrn."
„Ich bin gegen diese Windmühlen nicht mehr angekommen“
Wohlgemuth wendet sich außerdem gegen immer größer und unübersichtlicher werdende pastorale Räume. Zwar hält er fest: "Ich liebe diese Kirche", wendet jedoch auch ein: "Aber meine zunehmenden seelischen und körperlichen Schwierigkeiten machen mir Sorgen. Über Jahre hinweg war ich nie beim Arzt oder gar krankgeschrieben; das hat sich in der letzten Zeit klar verändert." Er berichtet von Erschöpfung, Depressionen und anderen seelischen Beschwerden. "Ich bin gegen diese Windmühlen nicht mehr angekommen". Zudem leide er im Pfarrhaus unter Einsamkeit – was er auch auf den Zölibat zurückführt.
Gespräch mit Erzbischof dauerte 20 Minuten
Eigentlich habe er lediglich ein Sabbatjahr nehmen wollen, berichtet Wohlgemut gegenüber katholisch.de. Das sei aber im Erzbistum Paderborn nicht vorgesehen gewesen. Es habe lediglich die Möglichkeit einer 8-wöchigen Beurlaubung gegeben. Diese sei ihm zunächst schriftlich und mündlich zugesagt worden, später habe die Erzdiözese die Erlaubnis jedoch wegen eines Formfehlers zurückgezogen. Dann habe er um die Freistellung gebeten. Das Gespräch mit dem Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker und der Bistumsleitung bezeichnet er als "zwar recht kurz, aber angenehm und etwas wertschätzend". Im Gespräch mit katholisch.de wirft er Becker allerdings vor, sich nicht für seine Situation interessiert zu haben: "Er hat nicht nachgefragt, er hat mich im Gegenteil auf der Stelle suspendiert." Das Gespräch habe nur etwa 20 Minuten gedauert. "Der Erzbischof hatte kein Interesse an mir als Mitarbeiter", so Wohlgemuth.
Der Priester zieht Ende August zu einer befreundeten Familie, jedoch in eine eigene Wohnung. Er betont: "Ich gehe keine Beziehung ein, weder mit einer Frau noch mit einem Mann." Im kommenden Jahr wolle er dann seinen ursprünglichen Plan verfolgen und den Jakobsweg gehen.
Das Erzbistum Paderborn wollte sich auf Anfrage von katholisch.de zur Zeit dieser Meldung noch nicht zu der Sache äußern. Später nahm es jedoch Stellung. (cph)