Der Mann im Hintergrund
Dabei gehört Marini als Organisator der päpstlichen Liturgien eigentlich zu denjenigen, die einen sehr direkten Draht zum Kirchenoberhaupt haben. Fünf Jahre stand der 2007 ins Amt berufene 48-jährige Norditaliener bei allen großen Gottesdiensten hinter Benedikt XVI. am Altar. Auch bei der Amtseinführung Franziskus‘ war er dicht an der Seite des Pontifex. Doch mit dem spontanen Stil des Neuen hat sich ein großes Konfliktpotenzial zwischen den beiden aufgebaut.
Marini musste sich von seinem neuen Chef von schon einiges sagen lassen. Glaubt man den Gerüchten aus dem Konklave, dann wies Franziskus direkt nach seiner Wahl die päpstliche Mozetta, die Marini ihm umlegen wollte, mit den Worten zurück: "Das kannst Du Dir selbst umhängen". Und auch das vorbereitete Predigtmanuskript schob Franziskus während der Messe zum Abschluss des Konklave in der Sixtinische Kapelle einfach beiseite.
Bleibt Marini im Amt?
Vatikankenner Ulrich Nersinger spricht gegenüber katholisch.de von einem "Spannungsverhältnis" mit "Sprengstoff". Der Publizist, der unter anderem für die Vatikanzeitung "L‘Osservatore Romano" schreibt, kann sich sogar vorstellen, dass Marini demnächst seinen Job verliert: "Ob er im Amt bleibt, das ist die große Preisfrage. Im Moment kann man ihm jedenfalls ansehen, dass die Lage nicht seinen Vorstellungen entspricht", sagt er.
Ähnlich sieht das Monsignore Thomas Frauenlob, der im Vatikan für die Bildungskongregation arbeitet. Seiner Meinung nach müsste spätestens dann gehandelt werden, wenn Franziskus und Marini sich gegenseitig blockieren: "Wenn zu große Spannungen und Reibungsverluste entstehen, dann ist das der Liturgie nicht würdig".
Der Grund für die Spannungen liegt nach Ansicht der Experten auf der Hand. "Papst Franziskus kommt unmittelbar aus der Pastoral. Er fremdelt noch mit der römischen Liturgie, die durchaus ihren Sinn hat, aber zu steifer Feierlichkeit neigt", erklärt Thomas Frauenlob. Genau für diese Festlichkeit steht jedoch Guido Marini. In seiner Amtszeit hat er einige alte liturgische Elemente wieder aufgegriffen, die zwar prunkvoll, auf manche aber auch rückwärtsgewandt wirken können.
Armut und Barock passen nicht zusammen
Bei seiner Intention, alte und neue liturgische Elemente miteinander zu verbinden, sei Marini über das Ziel hinaus geschossen, sind sich Frauenlob und Nersinger einig. "Wenn ein Papst über Armut spricht, das aber in einem überaus wertvollen und prunkvollen, ja barocken Gewand tut, kommt die Botschaft möglicherweise nicht an", erläutert Thomas Frauenlob. Auch, dass ein deutscher Papst seine Heimat besucht, die Messe dann aber auf Latein abhält, sei nur schwer vermittelbar.
So ist es für Ulrich Nersinger verständlich, dass manche Elemente in der Kleidung Benedikt XVI. einen konservativen oder gar traditionalistischen Eindruck vermittelten. Bei päpstlichen Messen hätten die Zeremoniare etwa vermehrt eine reich verzierte Form des sogenannten "Rochetts" getragen, ein weißes, besticktes Leinengewand, das vielen Katholiken in dieser Ausführung unter dem Begriff "Gardine" bekannt ist. Es ist nach Angaben Nersingers eher in konservativen Kirchenkreisen verbreitet.
"Vom Stil würde zu dem neuen Papst eher ein Zeremonienmeister passen, der den Stil von Marinis Vorgänger aufgreift", erklärt Frauenlob. Der hatte es zum Beispiel zugelassen, dass bei Auslandreisen des Pontifex nationale Element in die Liturgie mit aufgenommen wurden: War Johannes Paul II. etwa in Afrika zu Besuch, konnte es passieren, dass einheimische Tänze in den Gottesdienst eingefügt wurden.
Der Mittelweg zur Lösung
Trotz allen Konfliktpotentials: Wie in vielen Fällen, könnte auch hier die Zeit positiv wirken. "Die ersten Tage im neuen Amt sind auch für einen Papst eine sehr emotionale Sache", weiß Ulrich Nersinger. "Man muss ihn gewähren und zur Ruhe kommen lassen". Für Nersinger steht außer Frage, dass die Spontaneität des Papstes ein Stück weit „kanalisiert“ werden muss: "Das ist ja nicht nur eine Frage des Stils, sondern auch eine Frage der Sicherheit."
Eine Lösung könnte ein Mittelweg zwischen der Frische von Franziskus und der Wahrung der römischen Traditionen sein. "Der Papst sollte sich seine Spontaneität und Unmittelbarkeit unbedingt bewahren, die Papstliturgie aber gleichzeitig nicht missachten", meint Thomas Frauenlob. Schließlich seien die Papstmessen nicht umsonst seit Jahrhunderten besonders feierlich: "Es ist eine Festlichkeit, die die Menschen bewusst aus ihrem Alltag erhebt. Himmel und Erde berühren sich. Das ist für viele ein wohltuendes, befreiendes Ritual, das es zu respektieren gilt".
Vielleicht ist Guido Marini ja auch von einem Phänomen betroffen, das Frauenlob in den vergangenen Tagen beobachtet hat: "Dieser südamerikanische Papst, der alle Menschen umarmt, ist doch ein Kulturschock für uns Europäer", sagt er mit einem Augenzwinkern. Es klingt nicht wie eine Kritik.
Von Gabriele Höfling