Kathedrale stellt Jahrmarktrutsche ins Kirchenschiff
Die Kathedrale von Norwich wartet ab Donnerstag mit einer 15 Meter hohen Jahrmarktrutsche auf. Das spiralförmig-bunte "Helter Skelter" solle den Besuchern die Chance bieten, den Kirchenraum auf völlig neue Art zu erleben und Gespräche über den Glauben anregen, schreibt die anglikanische Gemeinde auf ihrer Website. Die Verantwortlichen erhofften sich davon auch eine Trendwende bei den sinkenden Besucherzahlen.
Die Jahrmarktattraktion soll bis 18. August im Langhaus der zwischen 1096 und 1145 erbauten Kathedrale der ostenglischen Universitätsstadt geöffnet sein. Eine Rutschpartie samt einzigartiger Aussicht in den Kirchenraum kostet zwei Pfund (2,20 Euro). Die Aktion ist Teil der Initiative "Seing it differently" der Gemeinde, die Besucher auch dazu anregt, sich auf Yoga-Matten zu legen und zum Deckengewölbe der romanischen Kirche zu schauen. Mit Blick auf aktuelle Entwicklungen in Politik und Kirche könne das "Sommerabenteuer von Norwich Cathedral" nicht passender sein, erklärte Pfarrer Andy Bryant. "Wir alle müssen die Dinge aus einer neuen Perspektive betrachten, wenn wir uns gegenseitig erreichen und die Spaltungen heilen wollen, die unser Land und leider auch unsere Kirche bedrohen."
"Was kommt als Nächstes? Goldfische im Taufbecken?"
Bereits bei der Ankündigung der Aktion hatten sich Bürger irritiert gezeigt. Eine Frau sprach in der "Daily Mail" von einem "verfrühten Aprilscherz". Ein anderer Anwohner sah eine "Verdunkelung des Glaubens": "Was kommt als Nächstes? Goldfische im Taufbecken, damit Kinder sie füttern können?" Bryant reagierte gelassen auf die Kritik. "Die Mauern dieses großartigen Gebäudes haben in den vergangenen 900 Jahren viele Dinge gesehen, und ich vermute, dass sie auch dies verkraften werden."
Die Gemeinde plant bereits eine weitere ungewöhnliche Aktion. 2020 legt Englands Naturhistorisches Museum demnach im Rahmen einer nationalen Tour einen Stopp in der Kathedrale ein. Dabei soll von Mitte Juli bis Ende Oktober der beliebte Dinosaurier "Dippy" dort aufgestellt werden.
"Helter Skelter" (holterdipolter) war ursprünglich eine harmlose Lautmalerei, zugleich der Name einer aus den 1920er Jahren stammenden Rutsche am Ende des Piers im britischen Seebad Brighton. Der kriminelle Hippie-Führer Charles Manson erkannte in dem gleichnamigen Songtitel der "Beatles" von 1968 eine vermeintliche Anleitung für einen Rassenkrieg. Die Aufstellung der Rutsche in Norwich fällt fast exakt auf den 50. Jahrestag der sogenannten Manson-Morde (9./10. August).
Ende Juli hatte ein ähnliches Angebot in der anglikanischen Kathedrale von Rochester für heftige Diskussionen gesorgt: In der Kirche im Südosten Großbritanniens können Besucher noch bis Ende August Minigolf spielen. Dafür wurde ein 9-Loch-Parcours mitten im Kirchenschiff der zweitältesten Kathedrale Englands aufgebaut. Nach Angaben der Initiatoren geht es darum, mehr Menschen mit dem christlichen Glauben in Berührung zu bringen und dabei zu helfen, Brücken zu bauen. (tmg/KNA)