Kölner Domorganist über den Komponisten und die Kirche

Winfried Bönig: Beethoven wusste genau wie Kirchenmusik funktioniert

Veröffentlicht am 25.08.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ 2020 wäre Ludwig van Beethoven 250 Jahre alt geworden. Zum Jubiläum werden seine Stücke auch an der Kölner Domorgel erklingen – dabei gibt es gar keine Orgelwerke von ihm. Domorganist Winfried Bönig erklärt, warum er seinen Lieblingskünstler trotzdem spielt.

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Das Beethoven-Jahr kommt näher und näher. In Bonn laufen die Vorbereitungen für das Mega-Event auf Hochtouren. Doch nicht nur dort finden 2020 anlässlich Beethovens 250. Geburtstag Veranstaltungen mit seiner Musik statt - auch im Kölner Dom wird er zu hören sein. Der Kölner Domorganist Winfried Bönig äußert sich im Interview über Ludwig van Beethoven als Kirchenmusiker und dessen Art zu komponieren.

Frage: Herr Bönig, was verbinden Sie mit Ludwig van Beethoven und seiner Musik?

Bönig: Als Kirchenmusiker habe ich eine etwas andere Sicht auf Beethoven. Der normale Hörer nimmt ihn in der Kirche wenig wahr. Das Beethoven-Repertoire in der Kirche ist überhaupt eher klein. Dabei hat Beethoven diese Art von Musik sicher sein Leben lang begleitet, da er in kirchenmusikalischer Umgebung aufgewachsen ist. Er wusste sehr genau, wie sie funktioniert. Einst hat er ja auch gesagt, dass die "Missa solemnis" sein bestes Werk sei. Das zeigt, welche Bedeutung die Kirchenmusik für ihn selber hatte.

Frage: Warum ist die Beethoven-Messe so besonders?

Bönig: Ich habe sie schon oft gehört. Ich selbst liebe Beethoven und seine Werke sehr. Da finde ich es sehr anrührend zu wissen, welches Herzblut er eben ausgerechnet in eine katholische Messe gesteckt hat. Sie sollte so gut wie irgendmöglich klingen. Das hat er geschafft. Die "Missa solemnis" gehört wirklich zu den ganz großen Werken der Musik.

Frage: Woran machen Sie Beethovens Musik fest?

Bönig: Da lohnt sich der Blick zwischen die Zeilen. Natürlich erkennt man sofort, dass es Musik aus der Klassik und genial komponiert ist. Die Komponisten an einzelnen Passagen fest zu machen, ist schwer. Da gilt es, auf Feinheiten zu achten. Beethoven etwa von Mozart zu unterscheiden, ist auch Sache des Gefühls und der Erfahrung. Jeder Komponist hat seinen eigenen Dialekt. Genau das ist es aber doch, Und was die großen Genies ausmacht: Dass sie uns immer mit neuen Dingen überraschen. Beethovens Dramatik und Energie zum Beispiel ist in jeder Hinsicht besonders.

Die Marmortafel mit der Aufschrift "In diesem Hause wurde Ludwig van Beethoven geboren am 17ten Dezember 1770" an der Fassade des Beethoven-Hauses in Bonn.
Bild: ©Julia Steinbrecht/KNA

Die Marmortafel an der Fassade des Beethoven-Hauses in Bonn verrät: 2020 jährt sich der Geburtstag des weltberühmten Komponisten zum 250. Mal.

Frage: Welchen Bezug haben Sie zu Beethoven?

Bönig: Auf die Frage nach meinem Lieblingskünstler sage ich immer sofort: Beethoven. Auch wenn es für mich als Kirchenmusiker kein großes Repertoire gibt, fasziniert er total. In seinem Werk finden sich Dramatik und Humanität. Beethoven schrieb solch epochale Musik - und das, obwohl er so ein Leben führen oder in seinem Fall erleiden musste.

Frage: Sie spielen sicher auf seine Taubheit an. Wie ist es möglich, als fast Tauber Musik zu komponieren?

Bönig: Man stellt sich oft vor, dass ein Komponist am Klavier sitzt und sich selbst etwas vorspielt. Und wenn es ihm gefällt, dann schreibt er es auf. So ist es aber in Wirklichkeit nicht. Komponisten arbeiten am Schreibtisch und brauchen keine akustische Wahrnehmung. Das liegt am sogenannten inneren Ohr, das bei ihnen sehr ausgeprägt ist. Sie können sich ihre Musik vorstellen. So lief das auch bei Beethoven.

Frage: Das Beethoven-Jahr steht vor der Tür. Was bedeutet das für Sie und ihre Arbeit im Dom?

Bönig: Es wird bei den Orgelkonzerten sicher Musik von Beethoven geben. Er wird zum größten Teil in Bearbeitungen gespielt werden, weil Beethoven den Organisten eben leider keine Kompositionen hinterlassen hat. Das ist bei Bach ganz anders, der viel mehr Kirchenmusik und Orgelwerke geschrieben hat. Beethoven kann man auf andere Art in die Konzerte einbeziehen, etwas auch, indem Musik seiner Zeit erklingt oder Improvisationen über Themen von ihm gespielt werden. Das Jubiläum wird in jedem Fall spannend für Künstler wie Hörer.

Frage: Wie werden Sie Beethovens Stücke auf ihrem Instrument interpretieren?

Bönig: Viele seiner Symphoniesätze sind schon relativ kurz nach seinem Tod für die Orgel arrangiert worden. Die Symphonien entdeckte man wegen ihrer Klanggewalt schnell für das Orgelspiel. Hier im Kölner Dom werde ich diese auf jeden Fall bei Konzerten spielen.

Von Christian Michael Hammer (KNA)