Niemand wolle eine deutsche Nationalkirche

Woelki sieht Spaltungsrisiko im "synodalen Weg" zur Kirchenreform

Veröffentlicht am 04.09.2019 um 11:52 Uhr – Lesedauer: 
Woelki sieht Spaltungsrisiko im "synodalen Weg" zur Kirchenreform
Bild: © KNA

Köln ‐ Dass der "synodale Weg" die Gemeinschaft mit der Universalkirche aufs Spiel setze und eine deutsche Nationalkirche entstehe: Diese Sorgen seien ihm bei seiner USA-Reise ständig begegnet, berichtet Kardinal Rainer Maria Woelki. Zu einer Spaltung könne es aber auch innerhalb der deutschen Kirche kommen.

  • Teilen:

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sieht den geplanten "synodalen Weg" zur Erneuerung der Kirche in Deutschland skeptisch. Der Erzbischof bekundete im Interview der Kölner "Kirchenzeitung" (Freitag) die Befürchtung, dass dieser Weg "große Gefahren in sich birgt - vor allem mit Blick auf eine Spaltung innerhalb der deutschen Kirche". Papst Franziskus habe in seinem Brief an die deutschen Katholiken Ende Juni eindeutig darum gebeten, in der Einheit mit der Universalkirche und dem Glauben der Kirche zu bleiben.

Unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals hatten die deutschen katholischen Bischöfe im Frühjahr einen "verbindlichen synodalen Weg" zur Erneuerung der Kirche mit großer Mehrheit beschlossen. Beraten werden sollen dabei ab Dezember die Themen Macht, Sexualmoral, priesterliche Lebensform und die Rolle der Frau in der Kirche.

Woelki äußerte sich nach einer USA-Reise. In vielen Begegnungen dort sei die Sorge vor einem deutschen Sonderweg zu spüren gewesen, "dass wir schlimmstenfalls sogar die Gemeinschaft mit der Universalkirche aufs Spiel setzen und zu einer deutschen Nationalkirche werden", so der Kardinal. "Das kann niemand wollen, und wir sollten die Warnung sehr ernst nehmen." Viele seiner Gesprächspartner hätten den Kopf darüber geschüttelt, "dass wir in Deutschland bereit scheinen, das uns anvertraute Glaubensgut mutwillig zu verändern, weil es lautstark von uns gefordert wird".

In den vergangenen Monaten haben katholische Frauenverbände und die Protestbewegung "Maria 2.0" für eine "geschlechtergerechte Kirche" und den Zugang von Frauen zu den Weiheämtern demonstriert. Mehrere Theologen und katholische Meinungsführer forderten eine Priesterweihe für verheiratete Männer und eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.

Kein "nationaler Alleingang" in einer "theologischen Selbstüberschätzung"

Die amerikanischen Ortskirchen seien nicht vor den Fragestellungen gefeit, die auch die Kirche in Deutschland bewegen, sagte der Erzbischof. Aber er habe den Eindruck gewonnen, dass dort Antworten "nicht in Form eines nationalen Alleingangs oder einer theologischen Selbstüberschätzung" gegeben würden. Woelki berichtete von kirchlichen Aufbrüchen in den USA und Ordensgemeinschaften mit vielen jungen Menschen. Die "Herzmitte" sei überall die Entscheidung, das Sakramentale ins Zentrum der Seelsorge und des Gemeindeaufbaus zu stellen. Messfeiern werktags und sonntags oder die eucharistische Anbetung seien "Essentials im Leben der Gemeinden, der Schulen und der Hochschulen", sagte der Erzbischof.

Er traf auf seiner Reise unter anderen den New Yorker Kardinal Timothy Dolan, den Bostoner Kardinal Sean O'Malley und den von Papst Franziskus ernannten Washingtoner Erzbischof Wilton Gregory. In den USA ist die katholische Kirche mit rund 77 Millionen Mitgliedern und 197 Bistümern die größte Konfession. Viele amerikanische Bischöfe lehnen Kirchenreformen nach liberal-protestantischem Vorbild ab. (KNA)