Liturgiewissenschaftler kritisiert leichtsinnige Aufgabe von Gotteshäusern

Gerhards über Verkauf von Kirchen: Wir verscherbeln unser Tafelsilber

Veröffentlicht am 04.09.2019 um 15:52 Uhr – Lesedauer: 
Gerhards über Verkauf von Kirchen: Wir verscherbeln unser Tafelsilber
Bild: © privat

Osnabrück ‐ Die Zahl der Gläubigen und Priester schrumpft, viele Kirchen werden als Folge "außer Dienst gestellt". Was damit tun? Verkaufen? Davor warnt Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards inständig – und nimmt die Gemeinden in die Pflicht.

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Kritik am Verkauf von Kirchen kommt von dem katholischen Bonner Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards. "Wir sind dabei, unser Tafelsilber zu verscherbeln", sagte er den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse (Sonntag) in Osnabrück. Die Kirchengemeinden hätten die Pflicht, Verantwortung zu übernehmen und sollten überlegen, "was man mit dem Gebäude tun könnte und wie man Leute findet, die bereit sind, sich dafür zu engagieren". Kirchen könnten neu belebt werden, wenn sie nicht nur als Gebetsorte, sondern auch als Treffpunkte für Menschen gesehen würden.

Potenzial von Kirchen neu entwickeln

"Diese diakonische Dimension der Kirche sollten wir neu entdecken", forderte Gerhards. Kirchen gehörten nicht nur den Kirchengemeinden, sondern seien Orte für die ganze Bevölkerung. Anders als andere Einrichtungen stünden sie jedem offen. "Es ist unsere Aufgabe, dieses Potenzial von Kirchen neu zu entwickeln."

Der Wert von Gotteshäusern auch für Nichtgläubige zeige sich etwa in manchen ostdeutschen Orten. Dort gebe es viele Vereine, die sich für Erhalt und Wiederaufbau von Kirchen engagierten, so der Theologe. "Dabei ist in diesen Vereinen oft nicht ein einziger Christ." Aber auch für sie sei eine Kirche ein besonderer Raum, sagte Gerhards. Solches Engagement verändere auch die Christen vor Ort. Sie merkten dann, "dass es Anknüpfungspunkte gibt, dass neue Kooperationen denkbar sind und Möglichkeiten, auf neue Weise präsent zu sein".

Gerhards ist Experte im Bereich Kirchenschließungen und -umnutzungen und meldet sich zur Thematik immer wieder kritisch zu Wort. "Wenn sich kein Umdenken einstellt, ist für die kommenden Jahre ein starker Anstieg von Abrissen absehbar", sagte Gerhards im Gespräch mit katholisch.de. Heute würden Gotteshäuser vielerorts voreilig aufgegeben und profaniert. "Oft werden längst nicht alle Fragestellungen bedacht und Möglichkeiten ausgereizt", so der Liturgiewissenschaftler damals. (tmg/KNA)