Kirchenbau: Das kann der Westen vom Osten lernen
Alle zwei Jahre treffen sich die Bauverantwortlichen aller 27 deutschen Bistümer, um über aktuelle Fragen und Herausforderungen in ihrem Arbeitsbereich zu sprechen. In diesem Jahr findet das Treffen erstmals im Bistum Görlitz statt; Gastgeber ist der Leiter der diözesanen Abteilung Bauerhaltung/Baubetreuung, Thomas Backhaus. Im Interview spricht er über das Ziel der Tagung, die besonderen Herausforderungen des kirchlichen Bauens in der Diaspora sowie fehlende Mitarbeiter und Handwerker. Außerdem äußert er sich zu der Frage, was die finanzstärkeren Bistümer im Westen vom kleinen Bistum Görlitz lernen können.
Frage: Herr Backhaus, aktuell findet im Bistum Görlitz die Tagung der Diözesanbaumeister aller deutschen Bistümer statt. Welches Ziel hat dieses Treffen?
Backhaus: Es geht bei den Tagungen in erster Linie darum, sich überdiözesan über aktuelle Fragen und Trends im Bereich des kirchlichen Bauens auszutauschen. Auch wenn natürlich jedes Bistum andere Voraussetzungen hat und jedes Bauprojekt anders ist: Es hilft schon sehr, mal über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und darüber zu sprechen, wie andere Diözesen ihre Projekte planen und umsetzen und welche Entwicklungen in unserem Arbeitsbereich zu verzeichnen sind.
Frage: Die diesjährige Tagung steht unter dem Motto "Kirche und Bauen in der Diaspora". Warum haben Sie sich als Gastgeber für dieses Thema entschieden?
Backhaus: Unser Bistum ist nicht nur die zahlenmäßig kleinste Diözese Deutschlands, sondern auch eine Diözese mit einer extremen Diasporasituation. Das hat natürlich auch Konsequenzen für das kirchliche Bauen. Insofern möchten wir unseren Gästen zeigen, wo beim Bauen unsere Chancen und unsere Grenzen liegen. Ich vermute nämlich, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen aus den westdeutschen Diözesen gar keine richtige Vorstellung davon haben, mit welchen Möglichkeiten wir im Bistum Görlitz Bauprojekte umsetzen und mit welchen Beschränkungen wir dabei leben müssen.
„Zeit und Geld – von beidem haben wir zu wenig.“
Frage: Welche Grenzen setzt Ihnen die Diasporasituation denn konkret?
Backhaus: Ein entscheidendes Problem ist – wie allerdings in anderen Bistümern auch – die unbefriedigende Personalsituation. Wir haben in den vergangenen Jahren leider erleben müssen, dass die kirchlichen Bauämter vielerorts personell deutlich verkleinert worden sind – unter anderem mit der Begründung, dass heute ja kaum noch neue Kirchen gebaut würden. Dadurch ist in den Ämtern auch viel Fachkompetenz verloren gegangen.
Frage: Ihre eigene Abteilung in Görlitz besteht aus drei Mitarbeitern – darunter eine Sekretärin. Kann man Bauprojekte mit so wenig Personal überhaupt seriös planen und begleiten?
Backhaus: Nun ja, es ist jedenfalls sehr schwer. Natürlich bemühen wir uns, unsere Aufgabe gut zu erfüllen. Aber wir können nicht verhindern, dass auch mal Dinge liegenbleiben und Projekt sich dadurch verzögern. Auch strategische Fragen, etwa beim Verkauf von kirchlichen Immobilien, kommen angesichts der dünnen Personaldecke mitunter zu kurz. Das ist schon ein großes Problem.
Frage: Was sind weitere Probleme?
Backhaus: Zeit und Geld – von beidem haben wir zu wenig. Das Zeitproblem hängt natürlich mit der Personalsituation zusammen und zeigt sich vor allem bei der Vorbereitung von Projekten. Hinzu kommt die finanzielle Situation unseres Bistums, die uns in unseren Möglichkeiten ebenfalls einschränkt. Allerdings: Zu viel Geld ist auch nicht immer gut, ein bisschen Bescheidenheit kann beim Kirchenbau durchaus hilfreich sein.
Frage: Wieso?
Backhaus: Weil man dadurch als Architekt oder Ingenieur gezwungen wird, kreativer zu denken und man so manchmal zu Lösungen kommt, die günstiger aber nicht schlechter sind.
Frage: Ein ähnliches Drama wie beim berüchtigten Millionen-Bauprojekt auf dem Limburger Domberg wäre in Görlitz also nicht möglich?
Backhaus: Jedenfalls nicht in diesen Dimensionen. Von unseren finanziellen Möglichkeiten her sind wir von solchen Projekten ganz weit weg – und das ist auch gut so (lacht). Denn mit großen Projekten gehen ja immer auch eine große Verantwortung und eine große Erwartungshaltung einher. Das ist schon eine enorme Belastung.
Frage: Noch einmal konkret zurück zur Diasporasituation. Wie schwer ist es für Sie, in Ihrem Bistum Bauleute und Handwerker zu finden, die sich mit den mitunter spezifischen Anforderungen des kirchlichen Bauens auskennen?
Backhaus: Das ist schon sehr schwer. Ein Beispiel: In stark kirchlich geprägten Regionen gibt es meist sogenannte Kirchenmaler – das sind Maler, die eine Fachausbildung in Kirchenmalerei und Denkmalpflege haben und für kirchliche Bauvorhaben deshalb besonders gut geeignet sind. Hier in unserer Region gibt es diese Leute gar nicht. Oder nehmen Sie den Gerüstbau: Im Inneren einer Kirche ein Gerüst aufzubauen ist eine echte Herausforderung und unterscheidet sich deutlich von einem normalen Gebäude. Dafür braucht man Experten – und die sind nur schwer zu bekommen. Hinzu kommt ganz grundsätzlich das Problem, dass es in unserem Bistum nur wenige Baufirmen und Handwerker gibt und diese aufgrund der guten Konjunktur meist schon über mehrere Monate im Voraus mit Aufträgen ausgelastet sind.
„Ich bin fest davon überzeugt: Bauen ist Seelsorge!“
Frage: Trotz aller Herausforderungen: Was können die größeren und finanzstärkeren Bistümer in Sachen Kirchenbau vom kleinen Bistum Görlitz lernen?
Backhaus: Ich denke, die Kolleginnen und Kollegen, die in den kommenden Tagen bei uns zu Gast sind, werden sich ein gutes Bild davon machen können, wie wir hier auch mit wenig Geld gute architektonische Qualität abliefern. Wir haben bei unseren Bauprojekten zudem gute Erfahrungen damit gemacht, Bauunternehmen oder spezielle Fachleute so früh wie möglich in die Planungen einzubinden.
Frage: Zu guter Letzt: Welche Bedeutung hat Ihre Bau- und Sanierungstätigkeit eigentlich für die Gläubigen in der Diaspora?
Backhaus: Ich bin fest davon überzeugt: Bauen ist Seelsorge! Gerade die Gläubigen, die der Kirche in der DDR unter schwierigsten Umständen die Treue hielten und damals in teils sanierungsbedürftigen, bescheidenen Kirchen ihre Gottesdienste feierten, haben einen Anspruch darauf, sich heute in gut renovierten Kirchenräumen zur Heiligen Messe zu versammeln. Und das möchten wir als kleine Bauabteilung den Diasporachristen durch unsere Arbeit gerne ermöglichen.