Christen im Südosten der Türkei: Schwieriges Comeback
Mit Olivenzweigen gegen Waldbrände: Es waren einfache Mittel, mit denen Christen den Sommer über im Südosten der Türkei Brände löschen wollten, die dort wochenlang ihre Dörfer bedrohten. Mittlerweile sind die Feuer aus, die Christen blicken auf viele hundert Hektar verbranntes Ackerland und Waldgebiete. "Wir haben das Feuer alleine gelöscht, die Feuerwehr hat uns nicht geholfen", beschwert sich Yahkup, ein Anwohner. Die zuständige Feuerwehr hatte den Bewohnern ausrichten lassen, dass sie nichts machen könne, solange das Militär keine Erlaubnis gebe. Denn in den brennenden Wäldern kämpften tagelang kurdische Milizen und türkische Soldaten miteinander. Die Feuerwehr wollte nicht in die Schusslinie geraten und ließ die christlichen Dorfbewohner allein.
"Wir haben das Feuer sogar mit Laubsaugern bekämpft", sagt Yahkup. Not macht bekanntlich erfinderisch – und die Not der Christen war groß. "So konnten wir die Flammen von unseren Häusern fernhalten." Viele wurden gerade erst neu gebaut, von Christen, die aus Europa zurück in ihre Heimat an der syrischen Grenze wollen. Etwa 25 Millionen Euro haben sie nach eigenen Schätzungen in die Gegend investiert. "Das ist unsere Heimat, das Land unserer Eltern und Großeltern", sagt Yahkup. In seinen Augen glänzen Tränen. Wie viele andere hat auch er sich entschieden, zurückzukommen, wenn auch nur für ein paar Monate im Jahr. Er pendelt zwischen der Türkei und Deutschland, wo seine Frau und Kinder leben. Doch seine Heimat ist hier, im Zweistromland Mesopotamien.
Exodus und Rückkehr der Christen
Schon seit weit mehr als eintausend Jahren leben syrisch-orthodoxe Christen in der heutigen Südost-Türkei. Wirklich leicht hatten sie es dort nie. Sie bauten Klöster, Kirchen und errichteten schon im vierten Jahrhundert die Schule von Nisibis im heutigen Nusaybin, die als eine der ersten Universitätsgründungen gilt. Doch Kämpfe um die Region machten es den Christen schwer. Erst waren es Römer und Perser, dann Artukide und Ayyubide, dann Byzantiner und schließlich die Osmanen, die den Christen das Land streitig machten. Auch mit Gründung der Republik Türkei im Jahr 1923 erging es den Suryoye, wie sich die Mitglieder der syrisch-orthodoxen Kirche in der Türkei nennen, nicht besser. Vor allem in den 1990er Jahren flohen viele vor Übergriffen durch das türkische Militär oder kurdische Milizen ins Ausland. Dort leben mittlerweile etwa 300.000 von ihnen.
Etwa 5.000 Suryoye gibt es heute noch im Südosten der Türkei. Die Angst, wieder vertrieben zu werden, sitzt noch immer im kollektiven Gedächtnis der syrisch-orthodoxen Christen. Dabei gehe es ihnen dort heute besser als früher, finden viele. Das liege zum Beispiel an der neuen Technik, sagt Ibrahim, auch ein Aramäer, der im Südosten ein neues Haus in der alten Heimat gebaut hat: "Heute haben wir Smartphones, damit können wir ganz schnell öffentlich machen, wenn uns etwas passiert. Manches, was uns früher zur Flucht gezwungen hat, ist damit heute unmöglich."
Yahkup erinnert sich, wie damals immer wieder auch Kämpfer der Terrororganisation PKK in sein Dorf kamen. Sie wollten die Jungs rekrutieren, doch die Christen weigerten sich. Als Yahkup 19 Jahre alt war, floh er nach Deutschland. Sein Cousin und sein Onkel blieben in ihrem Heimatdorf, sie gehörten zu den letzten Christen in der Gegend. Doch dann stand eines Tages das türkische Militär vor der Tür – mit Maschinengewehren und einer klaren Botschaft: Wenn die Bewohner von Echo in 24 Stunden nicht weg seien, würden die Soldaten wiederkommen, alle erschießen und sagen, es sei die PKK gewesen, erzählt Yahkup. Und so flüchteten auch sein Cousin und sein Onkel nach Deutschland, wo sie noch heute leben.
Christen zwischen den Fronten
Seitdem hat sich viel verändert im Südosten der Türkei. Aus Matiate, einem einst christlichen Dorf, ist heute zum Beispiel die kurdische Stadt Midiyat geworden. Ibrahim wird dort fast immer zuerst auf Kurdisch angesprochen. Antworten kann er dann nicht, die Verständigung läuft auf Türkisch weiter oder auf Aramäisch. Denn viele Kurden könnten auch die Muttersprache Jesu, sagt Ibrahim und grinst. Für die Christen ist das einer der Beweise dafür, dass die Gegend dort ihre Heimat ist.
Doch diese Heimat mussten sich die Christen in den vergangenen Jahren teuer in Gerichtsprozessen zurückerstreiten. Denn nachdem sie geflohen waren, konfiszierte der Staat viele ihrer Felder, Klöster und Kirchen. Damit das nicht noch einmal passiere, seien sie nun zurück. "Im Winter kommen zwei, drei Personen pro Dorf, als Aufpasser", erklärt er. "Wir haben Angst, dass sonst Fremde kommen und unsere Häuser besetzen, hier in der Türkei ist das normal."
Während muslimische Anwohner den Christen nach ihren Ländereien trachten, finanziert der Staat teilweise den Neuaufbau der Region und gibt Geld für Straßen oder Kirchen. "Wir sind im Moment wichtig, weil wir Devisen ins Land bringen. Ein Haus zu bauen kostet zum Beispiel etwa 110.000 Euro", begründet Ibrahim das scheinheilige Handeln des Staates, der an der Rückkehr der Christen mitverdiene. "Wir bauen nicht nur unsere Dörfer wieder auf, sondern restaurieren auch die Kirchen und Klöster und bauen Gästehäuser, damit Touristen kommen können", erklärt Ibrahim.
Doch Devisen schützen die Christen vor regionalen Konflikten nicht: In der Gegend kommt es immer zu Kämpfen zwischen der kurdischen PKK und dem türkischen Militär. Wenn dann die Fetzen fliegen, stehen die Christen oft in der Mitte. Ibrahim schüttelt dem Kopf: "Wir Christen stehen hier zwischen den Fronten, das hat sich nicht geändert. Auf der einen Seite ist die türkische Regierung und auf der anderen Seite sind die Kurden."