"Synodaler Weg" stellt priesterliche Lebensform auf den Prüfstand
Für manche gehört er zum Kern katholischer Identität: der Zölibat der Priester. "Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ist die Lebensform Jesu und der Apostel", sagt etwa der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. "Wer so existentiell in das Erlösungswerk Christi eingebunden ist – sollte er nicht auch in Persona Christi leben, die Lebensform seines Meisters übernehmen?", fragt Kardinal Walter Brandmüller.
Doch im Zuge von Priestermangel und Missbrauchsskandal wird diese Lebensform in Frage gestellt - nicht zum ersten Mal, denn die Diskussion um den Zölibat ist Jahrhunderte alt. Aber mit neuer Dringlichkeit. Ein Wendepunkt könnte die im Oktober im Vatikan stattfindende Amazonas-Synode sein, die das Thema auf Wunsch des Papstes behandelt: In manchen Regionen Brasiliens könnten zwei Drittel der Katholiken nicht öfter als dreimal im Jahr die Kommunion empfangen, schrieb Amazonas-Bischof Erwin Kräutler in einem Hilferuf an die Kurie. Deshalb müssten auch verheiratete Männer – sogenannte viri probati – Priester werden können. Prompt landete der Vorschlag im offiziellen Arbeitspapier der Synode.
Auch in Deutschland wollen einige Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eine Debatte über den Pflichtzölibat und das Priesterbild. Offen zeigte sich etwa der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf: "Der Zölibat ist nicht die vollkommenere Form der Christusnachfolge." Auch der Limburger Oberhirte Georg Bätzing befand: "Ich glaube, es schadet der Kirche nicht, wenn Priester frei sind, zu wählen, ob sie die Ehe leben wollen oder ehelos leben wollen."
Beim "gemeinsamen synodalen Weg", den die Bischöfe und das ZdK gehen wollen, wird das Thema allerdings weiter gefasst: Das Forum, das vom Münsteraner Bischof Felix Genn und vom Geschäftsführer des Katholischen Verbandes für soziale Dienste in Deutschland (SKM), Stephan Buttgereit, geleitet wird, befasst sich mit der "priesterlichen Lebensform". Auch die Priesterausbildung, gemeinschaftliche Lebensformen von Geistlichen, neue Formen der Gemeindeleitung und das Rollenbild der Priester stehen auf der Tagesordnung.
Unterschiedliche Antworten der Kirchengeschichte
Zentral dürfte aber die Frage sein, ob die Berufung zum Priester und die Berufung zur ehelosen Lebensform immer zusammenfallen müssen, wie es der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf und der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode formulieren. Darauf hat die Kirchengeschichte ganz unterschiedliche Antworten gegeben. Die Ehelosigkeit sei weder ein göttliches Gebot noch eine Anordnung Jesu oder der Apostel, sagt Wolf. Auch der Frankfurter Althistoriker Hartmut Leppin betont, dass die Bibel die Ehelosigkeit zwar hoch schätze. Wer vom Zölibat aber die Existenz der Kirche abhängig mache, sei kleinmütig. Schließlich habe es in der frühen Kirche lange ein Nebeneinander von zölibatären und nichtzölibatären Klerikern gegeben - so wie es die Ostkirchen bis heute kennen.
Stets sei die Entscheidung für oder gegen die Ehelosigkeit der Priester das Resultat von Güterabwägungen gewesen, betont auch Wolf. Und die Begründungen wechselten: Zeitweise wurde die Ehelosigkeit der Priester mit ihrer kultischen Reinheit begründet. Auch ökonomische Gründe spielten eine Rolle: Der Zölibat sollte im Mittelalter sicherstellen, dass der Kirchenbesitz zusammengehalten wurde.
Gute Gründe für eine Freistellung?
Heute gebe es gute Gründe, die verpflichtende Ehelosigkeit aufzuheben, argumentieren Zölibatskritiker. Oberste Priorität müsse haben, dass Papst und Bischöfe den Gläubigen die regelmäßige Feier der Eucharistie ermöglichten. Im Bedarfsfall müsse nicht das Priestertum dem Zölibat, sondern der Zölibat dem Priestertum geopfert werden, betont Wolf.
Auch die vielfach erlebte Vereinsamung der Geistlichen ist aus Sicht des Hildesheimer Bischofs Heiner Wilmer Anlass für ein Nachdenken. Und Kardinal Reinhard Marx erklärte am Wochenende, entscheidend für ihn sei, "ob und wie der Zölibat so gelebt werden kann, dass er ein positives Zeichen ist und auch die Priester in ihrem Leben nicht beschädigt".
Verschärft hat sich die Kritik an der priesterlichen Lebensweise angesichts des Missbrauchsskandals. Studien unterstreichen, dass der Zölibat zwar nicht die Ursache von Missbrauch sei – aber ein Risikofaktor. Aus Sicht der Kritiker fördert diese Lebensweise einen männerbündischen Klerikalismus, Machtmissbrauch und ein überhöhtes Priesterbild. Mit seinem Wegfall könne eine partnerschaftlichere Kirche entstehen.