Wie die Kirche ihre Botschaft besser vermarkten kann
"Freude am Fahren", "Wohnst du noch oder lebst du schon?" oder "Guten Freunden gibt man ein Küsschen" – die Welt ist voll von Slogans, griffigen Sätzen und knackigen Botschaften. Die Kirche hat allerdings noch keinen markigen Spruch abgesetzt, geschweige denn besitzt sie eine einheitliche Markenidentität. Das ist ein Problem, auch im Hinblick auf die Bindungskraft von Glaube und Kirche.
Dabei hat die Kirche bereits seit 2.000 Jahren das, was in der Werbesprache "Unique Selling Point" genannt wird, ein Alleinstellungsmerkmal: Die Frohe Botschaft. Die Kirche leitet aus dem Evangelium vier Hauptaufträge ab, auch Grundvollzüge genannt: Zeugnis vom Evangelium geben (martyria), der gemeinsame Gottesdienst (leiturgia), der Dienst am Menschen (diakonia) und die Gemeinschaft durch Teilhabe (koinonia).
Das Problem: Mit den – vor allem griechischen – Fachbegriffen kommt dieses Konzept bei den Gläubigen an der Basis nicht an. Das liegt nicht zuletzt an einer veränderten Einstellung der Menschen gegenüber der Kirche. Hatte sie früher in Sachen Spiritualität und Seelenheil das Monopol, gibt es heute eine starke Konkurrenz aus Achtsamkeitstrainings, Yogakursen und anderen spirituellen Angeboten. "Die Kirche muss sich auf einem Markt behaupten", sagt Marco Petrelli, der mit seinem Geschäftspartner Tim Allgaier eine Werbeagentur für kirchliche und soziale Organisationen betreibt. "Die Menschen denken heute auch im Hinblick auf Kirche in marktwirtschaftlichen Kategorien", bilanziert her. Nun spielen Angebot und Nachfrage, Kosten und Nutzen eine Rolle. Das hat ganz konkrete Folgen: Wenn Gläubige nicht mehr das Gefühl haben, für ihre Kirchensteuer eine angemessene Gegenleistung zu erhalten, treten sie aus. Das bestätigen Studien, laut denen die Steuer der häufigste Grund für Kirchenaustritte ist.
Doch die Kirche hat auch ein strukturelles Problem: Es gibt Gemeinden, Bistümer und die Weltkirche mit ihrem Zentrum im Vatikan. Parallel dazu stehen die weltweit vernetzten Orden mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Diese ganz unterschiedlichen Ebenen werden von den Menschen jedoch alle als "die Kirche" wahrgenommen, eine wachsende Zahl macht nicht einmal mehr einen Unterschied zwischen den Konfessionen.
Arbeit auf unterschiedlichen Organisationsebenen
Diese Ebenen haben für die Vermarktung eine fundamentale Bedeutung, sagen die beiden Marketingfachmänner. "Die Hauptarbeit wird vor Ort geleistet", sagt Tim Allgaier, "dort müssen sich die Leute willkommen fühlen und alle Informationen schnell finden können". Das zeigen auch Umfragen: Menschen schätzen an "ihrer" Kirche vor allem die Gemeinschaft und die Geselligkeit. Hier müsste also der Schwerpunkt der Marketingansätze liegen. Größere Einheiten wie Bistümer oder sogar die Weltkirche sind vom Einzelnen oft weit entfernt und werden eher abstrakt wahrgenommen, dementsprechend gestaltet sich auch die persönliche Beziehung zu ihnen. "Auf dieser Ebene kann höchstens ein positives Grundgefühl gegenüber der Marke geschaffen werden", sagt Petrelli.
Auf diesen Ebenen muss also ganz unterschiedliche Kommunikation betrieben werden. Das passiert zum Teil auch schon: Allgaier und Petrelli nennen etwa den Pfarrbrief als effektives Mittel. "Andere Organisationen wären froh, wenn Sie so ein Medium hätten, mit dem sie mit ihren Mitgliedern in Kontakt bleiben." Deshalb versuchen sie, die etwas angestaubten Pfarrnachrichten ins 21. Jahrhundert zu holen. In einer Gemeinde haben sie zusätzlich zu dem Brief auf Papier einen Newsletter gemacht: Einmal im Monat hält die Mail alle interessierten Gemeindemitglieder über Neuigkeiten auf dem Laufenden – übersichtlich aufbereitet, kurz und bündig. Die guten Abrufzahlen bestätigen die Agenturinhaber.
Als weiteres Positivbeispiel nennen sie das Magazin "Bene". 2013 stellte das Bistum Essen die Kirchenzeitung "RuhrWort" ein und setzte stattdessen das mehrmals im Jahr erscheinende bunte Magazin auf, das kostenlos verschickt wird. Statt harten Nachrichten gibt es hier lockere Reportagen, Portraits, Interviews und Rätsel. Auch hier gibt es eine positive Resonanz.
In einem größeren Rahmen können unter anderem Events wie Weltjugendtage, Katholiken- oder Kirchentage zur Mitgliederbindung beitragen, so Petrelli und Allgaier. "Sie sprechen die Sinne an und machen Kirche nochmal in einem ganz anderen Kontext als dem Alltag erfahrbar", fasst es Petrelli zusammen. Doch solche Großereignisse bleiben eine Hülle, wenn darauf kein Anschlussprogramm folgt – bei den Menschen vor Ort. "Nehmen Sie den Weihnachtsgottesdienst. Da kommen dann viele. Die kommen aber nicht zur Messe zwei Tage später."
Das richtige Gesicht macht den Unterschied
Eine weitere Marketingmöglichkeit, die die Kirche bisher noch nicht ausschöpft, haben die Werber unter anderem bei Wahlkämpfen in den USA und in der Konsumgüterwerbung gefunden: Markenbotschafter. Das sind Prominente, die einer Organisation ein "Gesicht" geben und so die emotionale Bindung der Menschen an die Marke verstärken können. Da geht in der Kirche noch mehr, sagen die Werber. Denn viel zu häufig ständen vor allem die Entscheider im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit – die könnten aber keine Markenbotschafter sein. "Keine Autofirma würde mit ihrem Vorstandsvorsitzenden Werbung machen", weiß Petrelli. Als Gegenbeispiel nennt er zum Beispiel den Fußballtrainer Jürgen Klopp, der es mit seinem öffentlichen Bekenntnis zum Christsein in viele Medien schaffte. "Das müsste man stärker ausbauen. Das ist nicht so teuer, hat aber eine große Wirkung."
Doch die Kirche scheint bei vielen Projekten zögerlich. Warum? "Die Kirche hat Angst vor Fehlern, weil sie ihre Botschaft zu griffigen Sätzen verkürzen muss", schlussfolgert Petrelli. Dem ständen allerdings 2.000 Jahre Theologiegeschichte entgegen, in denen sich die christliche Botschaft immer weiter aufgefächert und ausdifferenziert habe. Deshalb gebe es bei großen Marketingprojekten im kirchlichen Rahmen oft Stimmen, die immer noch weitere Aspekte in eine Kampagne hineinbringen wollten. Dadurch verlören Werbemaßnahmen nicht selten an Griffigkeit.
Manchmal fehlt die Kompetenz
Des Weiteren gibt es in vielen Bistümern ein Kompetenzproblem: In kaum einem Generalvikariat gibt es ausgewiesene Marketingfachleute. In der Regel müssen das die Pressestellen mitleisten, die allerdings schon mit zahlreichen anderen Aufgaben beschäftigt sind. Deshalb können sie etwa Ehrenamtliche in den Pfarreien nur unzureichend beraten, die Pfarrbriefe oder Plakate erstellen wollen. Hier müssten die Diözesen neue Stellen ausschreiben oder vorhandene Mitarbeiter qualifizieren, sagen die Agenturleute.
Außerdem müsse die Kirche ihren Blick auf ihre Mitglieder ganz grundsätzlich ändern, fordern Allgaier und Petrelli. "Es kann nicht mehr darum gehen, vor allem bestehende Angebote anzupreisen, sondern darauf zu hören, was die Leute eigentlich von der Kirche wollen", so Petrelli. Es müsse also einen Paradigmenwechsel weg von der Angebots- hin zur Zielgruppenfokussierung geben. Zudem könne die Kirche nicht mehr damit rechnen, regelmäßige Gottesdienstbesucher zu akquirieren. "Die Verbindlichkeit nimmt ab – bei allen Massenorganisationen, auch Parteien oder Gewerkschaften", sagt Allgaier. Die Kirche müsse darauf reagieren und mehr projekt- oder zeitbezogenes Engagement ermöglichen, etwa in Form von Projektchören oder Helfern bei Einzelveranstaltungen.
Schritte in diese Richtung gibt es bereits. So erforscht das Bistum Essen, warum Menschen aus der Kirche austreten und will seine Angebote daraufhin überprüfen, ob sie den Bedürfnissen der Menschen überhaupt entsprechen. Die Kirche habe in manchen Fällen etwa mit geistlicher Begleitung oder Exerzitien bereits seit langem Mittel an der Hand, mit denen sie auf Bedürfnisse der Menschen von heute eingehen kann. Sie müsse sich auf breiter Basis öffnen und ihren Mitgliedern mehr zuhören, fordert Petrelli. "Sonst wird das alles nicht funktionieren."