Susanne Wübker ist eine Exotin in der katholischen Kirche

Wenn der Pfarrer der Gemeindeleiterin assistiert

Veröffentlicht am 28.09.2019 um 10:25 Uhr – Lesedauer: 

Langeoog ‐ Bei der Leitung von Gemeinden durch Nicht-Priester geht das Bistum Osnabrück neue Wege. Auf Langeoog hat die Pastoralreferentin Susanne Wübker das Amt der Pfarrbeauftragten inne – als eine von drei Frauen bundesweit.

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Die Fähre von Bensersiel bringt immer weniger Gäste auf die Nordseeinsel Langeoog. Es wird ruhiger im Ort, in den Dünen und am Strand. Doch von Ruhe kommt bei Susanne Wübker derzeit nicht sehr viel an. Gerade hat ein Seminar für Führungskräfte die Pastoralreferentin für zwei Tage von der Insel aufs Festland abberufen. Kaum zurück will ein Radio-Gottesdienst vorbereitet werden. Zudem steht eine Orgelweihe für die kleine katholische Inselkirche Sankt Nikolaus an. Und jetzt hat kurzfristig eine Familie um ein Trauergespräch gebeten. Ein Insulaner ist verstorben.

Eine Aufgabe, die sonst nur Priester wahrnehmen

Das alles gehört mittlerweile zum Alltag von Susanne Wübker. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hat sie offiziell zur Pfarrbeauftragten für Langeoog bestimmt. Die 50-Jährige leitet seit 1. August die Gemeinde Sankt Nikolaus und übernimmt damit eine Aufgabe, die in der katholischen Kirche sonst nur Priestern vorbehalten ist. Zugleich wurde der Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft "Küste" in Norden, Christof Hentschel, von dieser Aufgabe auf Langeoog entpflichtet. Er unterstützt die Diplom-Theologin nun als sogenannter "Moderierender Priester".

Die Kirche Sankt Nikolaus auf Langeoog.
Bild: ©Johannes Schönwälder/KNA

Die Kirche Sankt Nikolaus auf Langeoog.

"Ich habe jetzt im Kirchenvorstand den Vorsitz inne", erläutert Wübker. Der Priester sei dort nur noch Gast ohne Stimmrecht. Zusammen mit dem Vorstand regelt sie nun die Finanz-, Gebäude- und Personalfragen und organisiert die Seelsorge. Ähnliches gilt seit August für die Nachbarinsel Juist, wo eine Ordensfrau die Aufgabe übernommen hat, und für die Gemeinde auf Norderney, die von einem Diakon geleitet wird.

Das Bistum Osnabrück ist mit diesem Modell Vorreiter bei den deutschen Diözesen. Laut Kirchenrecht hat ein Pfarrer die Letztverantwortung bei der Leitung von Gemeinden. Aber es gibt Ausnahmen, "wenn der Diözesanbischof wegen Priestermangels glaubt, einen Diakon oder eine andere Person, die nicht die Priesterweihe empfangen hat, oder eine Gemeinschaft von Personen" beteiligen zu müssen.

Landläufig wird von der Leitung durch "Laien" gesprochen, korrekt müsste es eigentlich "Nicht-Priester" heißen. Auch in anderen Bistümern gibt es diese Art der Leitung. Rottenburg-Stuttgart hat langjährige Erfahrungen im Einsatz hauptamtlicher Laien. Andere Diözesen setzen auf Mischformen mit Ehren- und Hauptamtlichen. In diesen Fällen ist aber immer ein Priester unmittelbar an der Leitung beteiligt. Der "Moderierende Priester" im Bistum Osnabrück bildet da die Ausnahme.

Nur drei Frauen leiten eigenständig eine katholische Gemeinde

Susanne Wübker ist zudem eine von derzeit nur drei Frauen in Deutschland, die eigenständig eine katholische Gemeinde leiten. Neben ihrer Juister Kollegin gibt es auch noch im baden-württembergischen Obersulm in der Diözese Rottenburg-Stuttgart eine Pfarrbeauftragte. Im Dezember wird dann in Bad Iburg/Glane - ebenfalls im Bistum Osnabrück - eine vierte Frau eine solche Aufgabe übernehmen.

Ihre neuen Kompetenzen sieht Wübker gelassen. Sie ist seit 2016 auf Langeoog tätig. Da der bisherige Pfarrer und auch seine Vorgänger schon wegen der aufwendigen Anreise selten auf der Insel gewesen seien, habe sie die meisten Dinge auch schon früher erledigt. Ausgenommen davon ist die Spende der Sakramente. Sie ist in der katholischen Kirche geweihten Amtsträgern vorbehalten. Dafür kommt dann der "Moderierende Priester" auf die Insel. Oder es springt einer der vielen "Kurpastoren" ein: Geistliche aus ganz Deutschland, die gerne im pfarreigenen Gästezimmer Urlaub machen. Die Priesterweihe für Frauen könne sie sich grundsätzlich zwar vorstellen, sagt die Theologin. Ein Zusammenwirken von Priester und Laie, wie in ihrem Fall, findet sie aber praktikabel und gut.

Für Wübker bleibt genug zu tun: Trau-, Tauf- und Trauergespräche sind zu führen. Sie nimmt - mit Erlaubnis des Bischofs - Beerdigungen vor. Erstkommunionfeiern und Firmungen müssen vorbereitet werden. Neulich hat die Polizei sie als Notfallseelsorgerin angefragt. Ein Gast war im Meer umgekommen. Zusammen mit einem Beamten überbrachte Wübker die Todesnachricht an die Familie.

Ein großes Thema ist die Urlauberseelsorge und - für die Diplom-Theologin ganz wichtig - der Gesprächskreis für Langeooger. "Gerade in einer Touristen-Hochburg ist es notwendig, dass die Menschen auch mal nur unter sich sein können", sagt sie.

Linktipp: Warum es auf Juist keinen Klerikalismus gibt

Schwester Michaela Wachendorfer ist "Touristenseelsorgerin" auf der ostfriesischen Insel Juist, die zum Bistum Osnabrück gehört. Sie leitet als Frau die Kirchengemeinde und ist Kirchenvorstandsvorsitzende. Und das schon seit fast zehn Jahren.

Etwa 280 Menschen zählen zur katholischen Gemeinde der Insel. "Das ist für ostfriesische Verhältnisse bei rund 1.700 Inselbewohnern ein hoher Anteil", sagt Wübker. Allerdings seien darunter zahlreiche Saisonkräfte aus der Gastronomie. "Die kommen vielfach aus katholischen Ländern wie Italien oder Polen." In der Kirche sieht Wübker die eher selten. In dem schmucken Bau mit einem Dach in der Form eines aufragendes Schiffsbugs macht sie die meisten Andachten am Abend unter der Woche. Die Messfeiern am Wochenende übernimmt der Priester.

Nach Langeoog hat die frühere Osnabrücker Hochschul- und Krankenhausseelsorgerin eine unvorsichtige Bemerkung gebracht. Vor vier Jahren hatte sie mal im Kollegenkreis gesagt, sie könne sich vorstellen, ihren Beruf auch auf einer Insel auszuüben. Das hat schnell die Runde gemacht. Schon bald wurde ihr die Stelle auf Langeoog angeboten. Da familiär ungebunden, habe sie den Wechsel nur mit sich ausmachen müssen, erzählt sie.

Die Kurpastoren staunen

"Der Inselkoller kann natürlich immer kommen", sagt Wübker lachend. Aber derzeit habe sie das Gefühl, für immer hier bleiben zu wollen. Natürlich gebe es Dinge, die nur die Insulaner verstünden - "Geschichten hinter den Geschichten hinter den Geschichten". Aber die Menschen hier seien längst nicht so verschlossen, wie man es von Norddeutschen allgemein und von Ostfriesen im Speziellen annimmt. An manchen Sonntagen sei die Kirche so voll, dass einige stehen müssten. Dann mischten sich Einheimische und Urlauber und bildeten eine lebendige Gemeinde, über die sogar die Kurpastoren staunten.

Die Theologin liebt ihren Job. Er gebe ihr die Chance, "Seelsorge auf der gesamten Spannbreite des Lebens" auszuüben. Von der Wiege bis zur Bahre ist gerade im abgegrenzten Kosmos einer Insel alles dabei.

Von Johannes Schönwälder (KNA)