Wallfahrt trotz Verbot: 70 Jahre Marienerscheinungen von Heroldsbach
"Eigentlich darf ich über das Geschehen nicht predigen", sagt Pater Ludwig Müller, wenn er gefragt wird, was am 9. Oktober im oberfränkischen Heroldsbach passieren wird. Denn dann wird der 70. Jahrestag von etwas gefeiert, das nach offizieller Feststellung der katholischen Kirche gar nicht geschah. Vier Mädchen wollen am 9. Oktober 1949 die Muttergottes über einem Birkenwäldchen gesehen haben. Es soll nicht die einzige Erscheinung und Maria nicht die einzig Erschienene gewesen sein. Heilige, Engel und Jesus selbst seien auch in Heroldsbach gewesen, mehr als drei Jahre lang bis zum 31. Oktober 1952, so die Erzählung.
Damals waren Sonderzüge nötig, um die Pilger in den kleinen oberfränkischen Ort bei Forchheim zu bringen. Sie versammelten sich vor dem Birkenwäldchen in der Hoffnung, eine Erscheinung mitzuerleben. Gesehen haben wollen sie meist nur die Mädchen. Auf Fotos, die der örtliche Pilgerverein in Diavorträgen noch heute zeigt, ist eine Schneise in den Menschenmassen zu erkennen, in der Mitte von den Gläubigen mitgebrachte Andachtsgegenstände wie Marienstatuen, Kerzen und Wasserflaschen. Über sie soll die Muttergottes hinweggeschwebt sein, auf dem Boden begleitet von den Sehermädchen.
Von schwebenden Rosenkränze, sogar Sonnenwundern ist die Rede. Zehntausende kamen damals nach Heroldsbach - trotz des Bannstrahls der katholischen Kirche gegen den "Heroldsbach-Kult", wie das Treiben verächtlich genannt wurde. Sogar der Vatikan hatte in zwei Dekreten noch während der angeblichen Erscheinungen Wallfahrten für verboten erklärt.
Doch die Geschichte von Heroldsbach zeigt, dass nicht jeder Katholik Rom blind folgt. Schon bald gründete sich ein Pilgerverein, es wurden Kapellen und Andachtsräume gebaut, und an Pilgern mangelte es auch in den folgenden Jahrzehnten nicht. 1998 änderte die Amtskirche ihre Haltung dezent: Heroldsbach wurde offiziell als Gebetsstätte anerkannt, die Kirche geweiht. Seitdem kümmern sich Augustiner-Chorherren um die Seelsorge. Pater Müller ist seit gut fünf Jahren dort.
"Man merkt, dass dieser Ort etwas Besonderes hat", sagt er. Auch wenn er sich gerade merklich wandele. Die treuen Pilger, die mit dem Bus am Vorabend jedes 13. eines Monats, also zum Fatima-Tag, nach Heroldsbach kamen, sterben aus, wie Müller sagt. Eucharistie gefeiert werde trotzdem jeden Tag und im Internet live übertragen. Das wiederum ziehe vor allem jüngere Menschen an, teils Familien. Aber auch Suchende - so wie es gewollt sei vom Erzbistum Bamberg, das Heroldsbach als Ort der Evangelisierung sehe.
Auch aus Brasilien und den USA seien schon Pilger da gewesen. Bis zu 50.000 Menschen besuchten Heroldsbach pro Jahr, so Müllers Schätzung. Eine genauere Zahl hat er zu den Beichten: 350 bis 450 pro Monat, vor Ostern sogar mehr als 600.
Doch nicht immer bleibt es friedlich. 2007 sorgte eine weinende Madonna im Pilgerheim für Aufregung. Das Erzbistum ordnete eine Untersuchung an. Ein Labor verglich den Natrium-Gehalt der vermeintlichen Tränen mit dem des Leitungswassers im Pilgerheim und entdeckte auffällige Ähnlichkeiten. Eine angebliche Seherin, die Botschaften von Maria empfangen will, hat mittlerweile Hausverbot. Sie hatte alle Kirchen als ungültig bezeichnet und Unruhe gestiftet, wie Müller es nennt. Videos im Internet dokumentieren Polizeieinsätze in der Gebetsstätte.
Aber auch nach 70 Jahren bleibt die Frage: War da was? Das Erzbistum Bamberg betont: "Nach dem Ergebnis der Untersuchungen durch die Glaubenskongregation steht die Echtheit der Erscheinungen nicht mit Sicherheit fest, deshalb können die Erscheinungen nicht anerkannt werden." Neue Gründe für eine Wiederaufnahme gebe es nicht.
Pater Müller verweist auf seine Gespräche mit den nach wie vor lebenden Sehermädchen: "Da leuchten noch die Augen. Die haben damals mit Sicherheit was erlebt und gesehen. Das kann man nicht nach 70 Jahren spielen und Theater machen." Irgendwann werde das anerkannt werden, glaubt er. "Ja, die Muttergottes macht das schon."