Bücher zu Kirchenthemen: "Eine Sache von und für Spezialisten"
Auf der Frankfurter Buchmesse ist auch der Katholische Medienverband KM. vertreten, dem rund 120 konfessionelle Medienunternehmen angehören – von Klosterbuchhandlungen und katholischen Fachzeitschriften bis hin zu christlichen Publikumsverlagen. Der Verbandsvorsitzende Ulrich Peters, gleichzeitig Vorstand der Unternehmensgruppe Schwabenverlag AG, äußert sich zur Situation des religiösen Buches.
Frage: Herr Peters, sinkt aus Ihrer Sicht generell das Interesse an Büchern zu religiösen Themen?
Peters: Nein, das kann man so nicht sagen. Richtig ist dagegen, dass sich Religiosität stark verändert. An die Stelle einer traditionell kirchlich-konfessionell und institutionell geprägten Religiosität tritt heute die Suche nach einer persönlichen Spiritualität. Diesen Wandel müssen die Verlage – und übrigens auch die Kirchen – mitvollziehen, wenn sie die Menschen nicht verlieren wollen.
Frage: Sehen Sie in der Entwicklung der vergangenen Jahre eine Skepsis gegenüber der verfassten Religion? Werden bei klassischen kirchlich-theologischen Themen nur noch die Kernzielgruppen erreicht?
Peters: Dieser Trend ist klar zu erkennen. Die christlichen Kirchen verlieren in Deutschland auf einem beunruhigend hohen Niveau weiter an Mitgliedern. Wie Umfragen zeigen, ist die Entchristlichung der Gesellschaft weit vorangeschritten. Auch unter den verbliebenen Christen ist die Bindung an die eigene Religion schwächer geworden. Hinzu kommt der massive Vertrauens- und Ansehensverlust infolge des Missbrauchsskandals. Das ist mit Skepsis fast unzureichend beschrieben. Trotz Kirchensteuereinnahmen auf Rekordniveau schwindet die gesellschaftliche Rolle und Relevanz der Kirchen für das Leben der Menschen in atemberaubender Geschwindigkeit.
Frage: Mit welcher Folge?
Peters: Zurück bleibt ein Vakuum. Denn es ist ja nicht so, dass mit den klassischen Sinn-Institutionen auch die Fragen nach Orientierung und Information oder die Sehnsucht nach Inspiration schwinden. Eher im Gegenteil. Herausforderungen und Fragen bietet das Leben für uns als Gesellschaft wie für jeden Einzelnen tagtäglich mehr als genug. Diesen Raum nehmen zunehmend Bücher und Beiträge zur allgemeinen Sinnsuche und Lebensorientierung ein. Klassisch-kirchliche Produktionen werden dagegen eher eine Sache von und für Spezialisten.
Frage: Was verkauft sich im religiösen Bereich besonders gut, was eher schlecht?
Peters: Es ist immer noch so, dass Bibeln als Klassiker, wenn auch auf niedrigerem Niveau, ihre führenden Plätze auf den betreffenden Bestenlisten behaupten. Dazu kommen die bekannten Autorinnen und Autoren wie zum Beispiel Margot Käßmann und Anselm Grün. Zu erwähnen sind aber auch neue Namen und Bücher wie die des Münchner Pfarrers Rainer Schießler. Schon deren Titel lesen sich wie Programmschriften: "Himmel, Herrgott, Sakrament. Auftreten statt Austreten."
Frage: Gibt es auf dem religiösen Buchmarkt so etwas wie eine Erfolgsformel?
Peters: Stimmen, die als authentisch und glaubwürdig wahrgenommen werden und sich zugleich medial gut vernetzt präsentieren, haben ihren Markt. Auch Sachbücher – insbesondere zu Wertefragen – finden verstärkt Käuferinnen und Käufer. Das gilt übrigens auch für Beiträge zur Krise der Kirche, sofern sie Perspektiven erschließen. Etwas vereinfacht könnte man formulieren: Produktionen, die ehrlich mit den Problemen und Herausforderungen des alltäglichen Lebens umgehen und unmittelbar an den Fragen der Menschen und der Zeit sind, führen zu Erfolgen. Antworten auf Fragen hingegen, die keiner stellt oder reine Betrachtungen oder Selbstbeschäftigungen aus dem kirchlichen Binnenraum "funktionieren" immer weniger.
Frage: Im Sommer 2019 schloss die Herder-Buchhandlung Carolus in Frankfurt am Main nach 147 Jahren Existenz – nach nachhaltigen Umsatzeinbußen in den religiösen Warengruppen. Ist das aus Verlagssicht ein Menetekel für Buchhandlungen mit religiösem Sortiment?
Peters: "Menetekel" ist mir zu massiv formuliert. Es ist ein Spiegel der Wirklichkeit, die zu meistern uns aufgegeben ist. Das Angebot folgt der Nachfrage. Christliche Fachsortimente klassischen Zuschnitts und in Reinkultur sind wirtschaftlich eine echte Herausforderung. Religiös-konfessionelle Verlage und Buchhandlungen haben angesichts dieser schwierigen Entwicklung kräftig zu kämpfen – und dies vor allem, weil wir es hier nicht mit konjunkturellen Schwankungen zu tun haben, sondern mit strukturellen Herausforderungen.
Frage: Was wäre also notwendig?
Peters: Meines Erachtens erleben wir eine Zeit, die wie kaum eine zuvor kluge Kooperationen und strategische Allianzen braucht, gemeinsame und abgestimmte Anstrengungen von Händlern und Verlagshäusern auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette. Nur gemeinsam werden wir, nahe an den Menschen und deren Bedürfnissen, Programme und Angebote entwickeln und im Markt platzieren können, die für treue und neue Kunden attraktiv, relevant, interessant und inspirierend sind. Die werden anderen Zuschnitts sein müssen als wir das gewöhnt sind. Aber wenn wir den Kontakt und die Nähe zum Kunden ernst nehmen, brauchen wir auch keine Angst zu haben, Menschen und Markt zu verlieren.