Was auf der Amazonas-Synode bisher geschah – und was jetzt kommt
Halbzeit bei der im Vatikan tagenden Amazonas-Synode. Fast alle 185 Teilnehmer des internationalen Bischofstreffens haben in der Synodenaula in Anwesenheit des Papstes einen vierminütigen Redebeitrag geleistet, dazu einige Delegierte und Experten, insgesamt etwa 210. Zur Sprache kamen dabei rund 140 Themen aus dem Arbeitspapier, dem "Instrumentum laboris", das in einer Befragung unter 80.000 Menschen vor Ort die enorme Bandbreite der pastoralen, sozialen, kulturellen und ökologischen Fragen und Probleme der Riesenregion zusammengetragen hatte.
Von der Vollversammlung verlagert sich die Arbeit jetzt wieder in die 11 kleinen, zwischen 20 und 25 Personen umfassenden Sprachgruppen, die das Gehörte nochmals vertiefen. Deren Ergebnisse bilden dann die Grundlage für das Abschlusspapier, an dem ab dem Wochenende ein 13-köpfiges Redaktionsteam arbeitet. Dazu gehört auch der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, der zuvor die Synode und den Papst durch eine Intervention mit einfühlsamen und behutsamen Anfragen beeindruckt haben soll.
Die Zerstörung der Natur, die Vernichtung des Regenwalds, die Gefährdung des Weltklimas, der Raubbau an Bodenschätzen, die Belastung der Flüsse durch nicht-nachhaltige Bergbauprojekte und vor allem die Folgen für Leben und Gesundheit der Menschen waren zentrale Themen der Redebeiträge. Im Vordergrund stand die Sorge um das vielfach bedrohte "gemeinsame Haus", um den Lebensraum, das Naturerbe, die Artenvielfalt – durch Brand und Rodung, durch Monokulturen und Agrarflächen, durch fragwürdige Großbauten und Prestigeprojekte. Thematisiert wurden die dahinterstehenden globalen Wirtschaftsinteressen und Handelsverflechtungen, einschließlich der Beteiligung der großen Industrieländer. Aber auch die viele Formen von Gewalt, Vertreibung, Migration, Menschenhandel, Drogen kamen zur Sprache.
Verantwortung für die gesamte Menschheit
Der Schutz des Amazonas vor der Zerstörung durch die Menschen liege in der Verantwortung der gesamten Menschheit. Die internationale Gemeinschaft müsse aufgefordert werden, sich von Industrieprojekten zu trennen, die der Gesundheit der Region schadeten, hieß es in der Aula. Erforderlich sei weltweit ein umfassender ökologischer Wandel, der nur mit den richtigen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gelingen könne, wie der Münchener Kardinal Reinhard Marx betonte.
Das Thema der dreiwöchigen Sonder-Bischofssynode lautet: "Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie". Neben vielen Aspekten der sozialen und wirtschaftlichen Gerechtigkeit oder der Ökologie kamen bislang vor allem Fragen der Seelsorge in der riesigen Krisenregion zur Sprache. Es geht um die Pastoral unter den Indigenen, sowie um Wege und Grenzen der Inkulturation. Zentraler Aspekte ist dabei der Priestermangel, der vielen Gemeinden nur ein- bis zweimal im Jahr die Gelegenheit zur Eucharistiefeier ermögliche. Aber Messe und Sakramente bilden das Zentrum christlichen Lebens. Und so kreisen viele Fragen und Vorschläge um Möglichkeiten einer besseren Versorgung mit Klerikern. Die Gläubigen auch in abgelegeneren Gegenden sehnten sich nach einer Präsenz-Seelsorge – und nicht nach einer Besuchs-Seelsorge, bei der ein Geistlicher nur selten vorbeischauen könnte, hieß es. Es brauche kreative und mutige Ansätze, um dem "Drama des Priestermangels" zu begegnen.
Als Vorschlag für solche Extremsituationen wurde mehr als 30 Mal die Weihe von bewährten verheirateten Männern – "viri probati" – genannt, zu schätzungsweise 90 Prozent zustimmend. Allerdings äußerten sich in der Aula auch Kritiker eines solchen Sonderwegs. Sie empfahlen eine Verstärkung der Nachwuchspastoral, um junge Indigene für das Priesteramt zu begeistern. Nicht der Zölibat sei Grund für den Priestermangel, sondern die Inkohärenz in der Kirche, die Skandale, die fehlende Heiligkeit, meinte ein Synodaler.
Neue Ämter für Laien
Diskutiert wurde auch über mehr Verantwortung und neue Ämter für Laien, auch für Frauen. Frauen – eines der durchlaufenden Themen der Synode – seien in vielen Gemeinden die eigentliche Stütze im Alltagsleben, wenn der Priester fehle. Sie leiteten Basisgruppen, kümmerten sich um Katechese, um Caritas-Aufgaben, Familien-Betreuung, sie leiteten Wortgottesdienste. Vorgeschlagen wurde von mehreren Sprechern eine Diakoninnen-Weihe – über die der Vatikan seit Jahren berät, allerdings bislang ohne Ergebnis. Andere warnten vor einer Klerikalisierung von Frauen, die mit einer Weihe einhergehen könnte. Wieder andere schlugen vor, diesem Thema demnächst eine eigene Bischofssynode zu widmen.
Die Synode tagt hinter verschlossenen Türen. Insgesamt dringen aus der Aula diesmal noch weniger Informationen nach draußen als bei vergangenen Weltbischofstreffen. Früher wurden die Texte aller Wortmeldungen auch an die Journalisten verteilt, unter Franziskus wurde das schrittweise abgeschafft. Das Synodensekretariat veröffentlicht nur noch eine kurze, anonymisierte Auflistung von Themen, die in der Aula zur Sprache kamen, manche mit kurzen Paraphrasen. Die Themen und Aussagen werden aber nicht einzelnen Sprechern zugeordnet. Eine indirekte Konsequenz der Offenheit und des Freimuts, zu der der Papst die Teilnehmer auch zu Beginn dieser Synode wieder eindringlich aufgefordert hat. Die Diskretion soll den Bischöfen die Angst und Sorge nehmen, sie müssten sich notfalls hinterher in der Heimat für ihre Äußerungen rechtfertigen.
Das erschwert Beobachtern die Einschätzung von Stimmungen und Meinungen in der Synoden-Aula, die Gewichtung von Themen. Es lässt sich nicht genau bestimmen, wo die Schwerpunkte liegen, an welchen Themen man sich festbeißt, welche Bereiche vielleicht zu kurz kommen. Offenbar spielten bislang theologische Überlegungen oder Grundsatzfragen der katholischen Soziallehre zu Gerechtigkeit oder gerechtem Wirtschaften eine eher untergeordnete Rolle. Und auch die weltpolitische und weltkirchliche Dimension sei eher unterbelichtet geblieben. Nicht erahnen lässt sich zudem, welche Rolle die 13 vatikanischen Kurien-Chefs spielen. In früheren Jahren sorgten sie mitunter dafür, dass die Diskussion nicht allzusehr aus römischen Bahnen lief.
Etwas aufgeweicht wird die neue Diskretion durch tägliche Briefings für die akkreditierten Journalisten. Dort berichten ausgesuchte Synodale über ihre Diözesen und ihre Arbeit. Was dann doch manche Rückschlüsse auf Themen und Dynamik des Bischofstreffens erlaubt. Ende kommender Woche stimmen die Synodenmitglieder über die einzelnen Paragraphen des Schlusspapiers ab. Das wird dann dem Papst übergeben. Und der erstellt daraus das offizielle Schlussdokument – als Ertrag und Ergebnis der Bischofssynode.