Neymeyr: Judenhass keine Meinung, sondern Angriff auf Menschenwürde
Der katholische Bischof Ulrich Neymeyr hat die Arbeit der bundesweit rund 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gewürdigt. Deren Wirken habe in den vergangenen Jahrzehnten "reiche Früchte" getragen, sagte Neymeyr laut Manuskript am Sonntag in Frankfurt auf einer Festveranstaltung zum 70-jährigen Bestehen des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR).
"Sie haben immer wieder die Verantwortlichen in den Kirchen ermahnt, sich mit dem antijüdischen Erbe christlicher Verkündigung auseinanderzusetzen, und Sie haben die Personen und Gruppen in den Kirchen unterstützt, die sich für ein neues Verhältnis zum Judentum eingesetzt haben", betonte der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Deutschen Bischofskonferenz. "So ist es auch Ihrem Engagement zu verdanken, dass die Kirchen ihr Verhältnis zum Judentum in den vergangenen Jahrzehnten sehr grundsätzlich überdacht haben."
Neymeyr stellte eine Initiative der Zusammenarbeit vor: Seit 2005 gebe es Gespräche zwischen der Allgemeinen und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz und den beiden großen Kirchen. Hier sei viel Vertrauen und gegenseitiges Verständnis gewachsen.
Die einzelnen Gesellschaften und der Koordinierungsrat hätten die politische Kultur in Deutschland mitgeprägt - durch die Erinnerung an den kulturellen Reichtum jüdischen Lebens, aber auch an Judenpogrome und die Schoah, sagte Neymeyr. Aber: "Mit Entsetzen müssen wir feststellen, dass heute die Erinnerung an die NS-Diktatur in des Wortes wörtliche Bedeutung pervertiert, nämlich völlig umgedreht wird, und dass der Weg von der Verharmlosung über die Gutheißung bis zur Nachahmung erschreckend kurz ist." Dabei hätten vor 70 Jahren Juden Christen die Hand gereicht, was der Erfurter Bischof ein Geschenk nannte.
Neymeyr warnte vor einem Schlussstrich; Erinnerung und Aufarbeitung dauerten an. Er sei dankbar, dass Papst Franziskus für 2020 die Öffnung der Vatikanischen Archive aus der Zeit von Papst Pius XII. angekündigt habe. Erinnerung und Aufklärung seien ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen Antisemitismus und Judenhass. "Antisemitismus ist keine Meinung, deren Äußerung durch die Meinungsfreiheit geschützt ist, sondern ein Angriff auf die Würde von Menschen und damit ein Angriff auf den grundlegenden Wert unserer Demokratie. Hier sind wir gemeinsam zum Widerspruch verpflichtet." (KNA)