"Um Gnade bitten, dass wir uns nicht für besser halten"

Papst kritisiert Verachtung indigener Traditionen durch Katholiken

Veröffentlicht am 27.10.2019 um 11:48 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Weil ihre Erscheinung fremd wirkt, würden selbst gläubige Kirchgänger die Bewohner Amazoniens für rückständig halten, so Papst Franziskus. Dabei seien es gerade die Indigenen, die den Menschen im Westen die Augen öffnen können.

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Mit einer feierlichen Messe im Petersdom ist am Sonntag die Amazonas-Synode im Vatikan zu Ende gegangen. Das dreiwöchige Bischofstreffen hatte sich mit der Situation der Menschen in dem lateinamerikanischen Regenwaldgebiet befasst. In seiner Predigt verurteilte Papst Franziskus die Verachtung fremder Traditionen und ein Überlegenheitsdenken, das zu Unterdrückung und Ausbeutung führe. Auch unter praktizierenden Katholiken sei ein solches Denken verbreitet, kritisierte das Kirchenoberhaupt.

Der Papst beklagte ein "vernarbtes Antlitz Amazoniens". Die Fehler der Vergangenheit hätten nicht genügt, damit aufzuhören, "die anderen auszuplündern und unseren Geschwistern wie auch unserer Schwester Erde Wunden zuzufügen", sagte der Papst. Aus dem Gedanken heraus, besser zu sein als andere, würden deren Traditionen verachtet, ihre Geschichte ignoriert, Territorien besetzt und Güter in Beschlag genommen, weil man deren Eigentümer für rückständig und unbedeutend halte.

Auch manche Christen, die am Sonntag zur Messe gingen, frönten "dieser Religion des Ich", so Franziskus. Gläubige sollten "um die Gnade bitten, dass wir uns nicht für besser halten, dass wir nicht meinen, bei uns sei alles in Ordnung, dass wir nicht zynisch und spöttisch werden". Auf der Synode hätten gerade die Indigenen bezeugt, "dass es möglich ist, die Realität auf andere Art zu betrachten und sie mit offenen Händen als Geschenk anzunehmen, die Schöpfung nicht auszubeuten, sondern als ein zu hütendes Haus zu bewohnen und auf Gott zu vertrauen", sagte der Papst. Die dreiwöchige Synode war von scharfer Polemik ultrakonservativer Katholiken gegen indigene Riten begleitet gewesen.

Konkrete Reformen für die Seelsorge in Amazonien

Zuvor hatte der Papst in seiner Abschlussrede vor den Synodenteilnehmern eine Reihe konkreter Reformen zur Stärkung der Seelsorge im Amazonasgebiet angekündigt. Die Synode habe gezeigt, dass einiges reformiert werden müsse, sagte er am Samstagabend im Vatikan. So müsse die Verteilung der Priester innerhalb der Länder Lateinamerikas gerechter gestaltet werden, damit auch bisher unterversorgte Gebiete seelsorgerisch besser betreut würden.

Unter dem Applaus der Synodalen kündigte er an, dass demnächst alle künftigen Vatikan-Diplomaten mindestens ein Jahr in einem Missionsgebiet als Seelsorger eingesetzt würden. Eine weitere Neuerung werde die Schaffung spezieller Priesterseminare für Ureinwohner sein.

Der Papst rief die Synodenteilnehmer auf, keine Furcht vor der Entwicklung eines eigenen kirchlichen Ritus für das Amazonasgebiet zu haben. Viele der heute in der katholischen Kirche bestehenden 23 Sonderriten seien aus kleinen kirchlichen Zellen entstanden und hätten heute teilweise erhebliche Eigenständigkeit, ohne dass dies die Einheit der Kirche gefährde.

Kreativität forderte Franziskus auch bei der Entwicklung neuer kirchlicher Dienstämter in den Amazonas-Gemeinden für Männer und Frauen. Viele hätten immer noch nicht begriffen, welch fundamentale Rolle Frauen in der Kirche hätten. Zum Thema einer möglichen Öffnung des Diakonenamts kündigte der Papst eine personelle Neuaufstellung der von ihm eingesetzten Kommission und ihre Anbindung an die Römische Glaubenskongregation an. (KNA)