Aufwendiges Historiendrama über die Schweizer Reformation
"In diesem Buch spricht Gott zu uns. Aber wer versteht, was er sagt?" Der neue Leutpriester hält sich nicht mit langen Vorreden auf. Schon in der ersten Predigt in Zürich geht er als Erneuerer in die Offensive: Schluss mit der lateinischen Sprache in der Messe, stattdessen will er die Bibel künftig in deutscher Sprache vorlesen und für die Besucher des Gottesdienstes deuten.
Die christliche Botschaft auch dem Volk verständlich machen
Abseits der Kanzel wird Huldrych Zwingli dann noch deutlicher: In Zürich, wo er neben anderen Anhängern reformatorischer Ideen auch den Bürgermeister zu seinen Verbündeten zählt, will er mit dem aufräumen, was ihm als Aberglaube, als Machtgier und Korruption erscheint. Die Angst vor dem Fegefeuer, Ablasshandel und Seelenmessen, Beichten und Fastenzeit, all das, worauf die Kirche 1519 Wohlstand und Macht gründet, soll verschwinden. Dafür ist Zwingli angetreten, die christliche Botschaft auch dem Großteil des Volkes verständlich zu machen und sie vor allem auch umzusetzen.
Auch der Historienfilm "Zwingli – Der Reformator" des Regisseurs Stefan Haupt kommt gleich zur Sache: Zwinglis Werdegang, seine ihn prägenden Jahre als Pfarrer in Glarus und seine Absage an die Kirchentreue unter dem Eindruck der deutschen Reformation, sind für Haupt und Drehbuchautorin Simone Schmid kein Thema, ihr Interesse gilt der Zeit in Zürich. Sorgsam dargelegt folgen die Meilensteine der Schweizer Reformation: Publikationen gegen Fastenvorschriften, gewonnene Dispute, Auflösung der Klöster, Verkauf von Kirchenschätzen, die erste vollständige Bibelübersetzung ins Deutsche durch Zwingli und seine Genossen. Es ist viel Stoff mit erkennbarem Bemühen, dessen Sprengkraft zu würdigen. Das Historische steht klar über dem Theologischen, auch wenn der Film immer wieder den lebhaften Streit zwischen Zwingli und seinen Anhängern wie auch mit seinen Gegnern enthält.
Zwinglis reformatorische Lehre wird dabei besonders mit Schlagworten vermittelt, die aufklären und Selbstständigkeit im Denken anmahnen. Hinzu kommen gelegentliche denkwürdige Sentenzen wie: "Es ist Gottes Wille, dass wir die kranke Kirche verarzten und gesund pflegen." Bei all dem schürft der Film als Interpretation von Zwinglis Person nicht allzu tief. Statur gewinnt er vor allem durch die feinfühlige darstellerische Leistung von Max Simonischek. Mit seiner Körpergröße jenseits von 1,90 Metern und dem kantigen Gesicht eine auffallende Gestalt, flößt er Autorität ein, ohne aggressiv auftreten zu müssen. Zwinglis Hauptgegner im Film erscheinen daneben als besonders kleinkarierte Wichte, der gefräßigen Dekadenz verschrieben.
"Zwingli - Der Reformator" ist mit sichtlichem Aufwand inszeniert, formal zwar den Konventionen des Historiendramas verhaftet, aber glaubwürdig in der Abbildung des mittelalterlichen Ambientes und mit aufmerksamem Auge für historische Details. Angenehm hebt sich der Film von vergleichbar verfilmten geschichtlichen Stoffen dadurch ab, dass er den Zuschauer nicht für dumm verkauft und seine Charaktere nicht ins Korsett heutiger Verständnisweisen zwängt. Zwingli und die anderen Figuren bleiben stets als Abkömmlinge ihrer Zeit erkennbar, die aus modernem Verständnis heraus in manchen Ansichten auch vor den Kopf stoßen, so wie Haupt und Schmid auch keine glatte Heldengeschichte im Sinn haben.
Denn die Widersprüche und Makel in Zwinglis Biografie werden nicht ausgespart, insbesondere sein ablehnender Umgang mit der weit radikalere Schritte fordernden Bewegung der Erwachsenentäufer, deren Verfolgung und Hinrichtung er zumindest duldend unterstützt, und sein Entschluss, das Erreichte auch mit dem Schwert zu verteidigen. Diese Ambivalenz hinterlässt auch deshalb starke Wirkung, weil Zwingli mit der Witwe Anna Reinhart von Beginn an ein Gegenüber auf Augenhöhe erhält. Als Frau, die von Zwinglis "ketzerischen" Lehren ebenso angezogen wird wie von ihm als Mann, steht ihre Bereitschaft, sich immer mehr auf ihn einzulassen, beispielhaft für die Ausbreitung seiner Ideen, aber auch für die Gewissheit, dass er selbst nach den Grundsätzen leben sollte, die er predigt.
Ein smarter Einfall neben den geschichtsträchtigen Szenen
Wenn Zwingli das zunächst versteckte Verhältnis erst öffentlich macht, dann sogar um die Aufhebung des Zölibats bittet, um Anna zu heiraten, und dies nach der Ablehnung dieses Gesuchs trotzdem tut, wächst er dadurch auch als filmischer Sympathieträger. Was neben all den geschichtsträchtigen Szenen des Plots ein smarter Einfall ist, um den Protagonisten und den Film zu erden.