Münsters Bischof schreibt Offenen Brief an die Gläubigen

Genn über Umgang mit Missbrauch: "Ich habe Fehler gemacht!"

Veröffentlicht am 22.11.2019 um 12:23 Uhr – Lesedauer: 

Münster ‐ Im Umgang mit Missbrauchsfällen habe er Fehler gemacht: Das gesteht Münsters Bischof Felix Genn in einem Offenen Brief ein, der an alle Gläubigen seines Bistums gerichtet ist. Auch vor seiner eigenen Person dürfe bei Missbrauchsaufklärung nicht Halt gemacht werden. Konkret bezieht er sich auf zwei Fälle.

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Der Münsteraner Bischof Felix Genn hat Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen eingestanden und sich bei Betroffenen entschuldigt. "Im Blick auf zwei konkrete Sachverhalte der letzten Zeit wurde ich persönlich sowohl in der Öffentlichkeit als auch direkt kritisiert", schreibt der Oberhirte in einem am Freitag veröffentlichten Offenen Brief an die Gläubigen seines Bistums. Deshalb wolle er sich nun dazu äußern. Transparenz beim Thema Missbrauch könne und dürfe "auch vor meiner eigenen Person nicht Halt machen", so Genn.

Zunächst äußerte sich der Bischof zum Fall eines Priesters, der trotz zweifacher Verurteilung wegen Missbrauchs jahrzehntelang weiter als Seelsorger in den Diözesen Münster, Essen und Köln tätig war. "Dass damals ein Priester in einer Gemeinde seelsorgliche Dienste tun konnte, obwohl bekannt war, dass er mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden war, war ein verheerender Fehler", so Genn, der auf seine Zeit als Bischof von Essen (2003-2009) Bezug nimmt. Im Rückblick erschrecke ihn "die damals fehlende Einsicht, dass ein Priester grundsätzlich nicht mehr seelsorglich eingesetzt werden darf, wenn er sich solcher Verbrechen schuldig gemacht hat". Er habe als Essener Bischof den Fall nicht wahrgenommen und erst im Mai dieses Jahres davon erfahren, so Genn weiter. "Welche Schwächen und Fehler gibt es in unserem 'System', dass ein Bischof nicht weiß, wenn ein Priester mit einer solchen Vorgeschichte in einer Gemeinde tätig ist?", fragt er. Als damaliger Essener Oberhirte trage er die Verantwortung und bitte deshalb alle um Entschuldigung, "die sich jetzt hintergangen oder betrogen fühlen".

"Ich habe Fehler gemacht!"

Der zweite Sachverhalt betreffe eine Frau, die Mitte der 1980er Jahre von einem damals in Kevelaer tätigen Kaplan über einen längeren Zeitraum sexuell missbraucht wurde. "In meiner Verantwortung als Bischof von Münster muss ich in diesem Fall deutlich sagen: Ich habe Fehler gemacht!", so Genn. Nach Bekanntwerden im Jahr 2010 sei der Fall auf Wunsch des Opfers nicht öffentlich gemacht, jedoch der Sachverhalt nach Rom an die Glaubenskongregation gemeldet worden. Seelsorgliche und priesterliche Tätigkeiten waren dem Täter im Anschluss nur in einem vom Bistum zugewiesenen Bereich gestattet worden, woran dieser sich jedoch nicht gehalten habe. "Zum einen hätte ich das Verbot sehr viel deutlicher formulieren müssen. Was heißt 'Gottesdienste ohne große Öffentlichkeit'? Das ist unpräzise und muss künftig unbedingt unmissverständlich und klar formuliert werden", so Genn. Auch hätte er die betroffene Pfarrei umfassend informieren und Hinweisen zur Missachtung der Auflagen konsequenter nachgehen müssen. "Das ist mein Fehler und das habe ich zu verantworten."

Für die Zukunft würden klarere Regelungen gefunden werden, schreibt der Bischof weiter. "Zudem werde ich prüfen lassen, in welchem Umfang weitergehende Strafen, wie etwa deutliche Gehaltskürzungen oder andere Auflagen angezeigt sind", so Genn. "Sicher ist: Verurteilte Missbrauchstäter oder auch Priester, bei denen es strafrechtlich oder kirchenrechtlich unstrittig ist, dass sie Kinder oder Jugendliche missbraucht haben, dürfen nicht mehr in der Seelsorge eingesetzt werden. Alle priesterlichen Dienste müssen ihnen untersagt werden. Das ist die Leitschnur, für die ich stehe und die ich umsetzen werde." (tmg)

Offener Brief

Hier finden Sie den Brief von Bischof Felix Genn im Wortlaut.