Früherer Kardinalstaatssekretär wird 85

Tarcisio Bertone: Mehr Theologe als Diplomat und Manager

Veröffentlicht am 02.12.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Ministerpräsident, Innen-, Außen-, Wirtschafts- und Finanzminister: Als "zweiter Mann" im Vatikan bestimmte Tarcisio Bertone jahrelang dessen Politik. Benedikt XVI. hatte sich bewusst für ihn entschieden – trotz fehlender diplomatischer Erfahrung.

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Sieben Jahre lang - von 2006 bis 2013 - war Tarcisio Bertone nach dem Papst der mächtigste Mann im Vatikan. Als Kardinalstaatssekretär begleitete er Benedikt XVI. fast durch seine gesamte Amtszeit, war dessen "Alter Ego". Er verband in sich die Funktionen eines vatikanischen Ministerpräsidenten, des Innen- und Außenministers. Und anders als sein Nachfolger Pietro Parolin war er in Personalunion auch für die vatikanischen Wirtschafts- und Finanzbelange zuständig.

Bertone galt als gebildeter Theologe und Kirchenjurist, aber ihm fehlten die diplomatische Erfahrungen seiner Vorgänger und die vatikaninterne Vernetzung. Neben vielen Verdiensten werden ihm manche Pannen im Pontifikat des Ratzinger-Papstes angelastet. Am 2. Dezember wird er 85.

Benedikt XVI. suchte unbedingt einen Italiener

Als der Kardinal aus Deutschland 2005 an die Spitze der Weltkirche gewählt wurde, suchte er als Staatssekretär unbedingt einen Italiener. Für 17 Monate beließ er noch den unter Johannes Paul II. amtierenden Kardinal Angelo Sodano im Amt, mit dem er als Präfekt der Glaubenskongregation manchen Strauß ausgefochten hatte. Dann ernannte Benedikt XVI. - für Beobachter etwas überraschend - einen Außenseiter zum Nachfolger, einen alten Vertrauten aus der Glaubensbehörde. Dort war der Salesianer Bertone von 1995 bis 2002 Sekretär und damit "zweiter Mann".

In dieser Rolle entlastete er seinen Chef in vielen wichtigen Missionen. Er kümmerte sich maßgeblich um die heikle Veröffentlichung des Dritten Geheimnisses von Fatima im Sommer 2000. Ein Jahr später leitete er die kirchliche Wiedereingliederung des zur Moon-Sekte abgewanderten schwarzafrikanischen Erzbischofs Emmanuel Milingo in die Wege. Später traf er - in Abstimmung mit dem Vatikan - zu einer zweistündigen Begegnung mit Kubas starkem Mann Fidel Castro zusammen.

Papst Benedikt XVI. winkt kurz nach seiner Wahl von seiner Loggia den jubelnden Menschen auf dem Petersplatz zu.
Bild: ©KNA

17 Monate nach seiner Wahl am 19. April 2005 berief Benedikt XVI. den Salesianer Bertone in das Amt des Kardinalstaatssekretärs.

Bertone wurde am 2. Dezember 1934 als fünftes von acht Kindern in der Provinz Turin geboren. Er studierte an Salesianer-Hochschulen in Turin und Rom, wurde 1960 Priester und promovierte in Kirchenrecht. Er lehrte für viele Jahre Recht und Kirchenrecht an der Lateran- und an der Salesianer-Universität - deren Rektor er 1989 wurde. Er war auch an der Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches von 1983 beteiligt.

1991 ernannte Johannes Paul II. ihn zum Erzbischof im piemontesischen Vercelli, aber bereits nach vier Jahren wechselte Bertone an die Kurie. 2002 wurde er Erzbischof von Genua und bald darauf Kardinal. In dieser Zeit machte er immer wieder durch prononcierte Kommentare landesweit von sich Reden.

Benedikt XVI. wollte an seiner Seite einen Mann seines Vertrauens. Zugleich sollte die Berufung Bertones die theologische Kompetenz an der Spitze des Leitungsapparats stärken. Allerdings waren seine Aufgabenumschreibung und Zielvorgaben zu Beginn offenbar nicht ganz klar. Zudem machte der Staatssekretär anstelle des zunächst wenig reisefreudigen Papstes häufig Auslandsbesuche, von Kroatien bis Kasachstan. Damit aber fehlte er in der vatikanischen Zentrale.

Diplomatisch unerfahren - trotzdem einige Erfolge

Es knirschte mehr als einmal im Leitungsapparat. Etwa bei der Affäre um den Holocaustleugner Richard Williamson. Und auch in der "Vatileaks-Affäre" mangelte es an Krisenmanagement. Die diplomatische Bilanz Bertones konnte sich indes sehen lassen. So nahmen zehn weitere Staaten diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl auf.

Deshalb hielt Benedikt XVI. demonstrativ an seinem Vertrauten fest. Auch unter Papst Franziskus blieb er noch ein halbes Jahr im Amt. Nach und nach verlor Bertone dann seine verschiedenen Ämter, zuletzt auch das des Camerlengo, das mit besonderen Leitungsfunktionen für die Zeit der Sedisvakanz verbunden ist.

Für Schlagzeilen sorgte Ruheständler Bertone mit Wahl und Renovierung seines Alterssitzes, einer 300-Quadratmeter-Wohnung gegenüber der vatikanischen Tankstelle. Er war damit keinesfalls anspruchsvoller als seine Vorgänger, die sich durchaus repräsentativere Immobilien hergerichtet hatten. Aber die Zeiten hatten sich geändert, im Vatikan galt eine "neue Bescheidenheit", seit Franziskus selbst in einer 80-Quadrameter-Suite im vatikanischen Gästehaus wohnte.

Von Johannes Schidelko (KNA)